Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
Krise meistern!«
Ed und Marnie gaben sich alle Mühe, begeistert zu jubeln, aber ihre Gesichter sprachen eine ganz andere Sprache.
Nach der Aufregung vom Montag ließ der Dienstag sich vergleichsweise unspektakulär an – so sehr, dass ich das gefürchtete Interview mit der New York Times fast vergessen hätte. Und als der junge rothaarige Reporter mittags im Laden auftauchte, hielt ich ihn zuerst für einen Studenten, der einen Job suchte. Erst als er mir seine Karte gab, wurde mir klar, wen ich vor mir hatte.
»Josh Mercer, New York Times . Celia hatte heute den Termin für das Interview gemacht.«
»Aber ja, natürlich. Ich … tut mir leid«, stammelte ich und gab ihm die Hand. »Ich bin Rosie Duncan, und das ist mein Co-Designer Ed Steinmann.«
Ed und Josh gaben sich die Hand. »Macht es euch auf dem Sofa gemütlich, ich koche Kaffee«, bot Ed an, was Josh sehr zu freuen schien. Wie sich herausstellte, war er den ganzen Vormittag im East Village gewesen, wo ein umstrittenes Stadtsanierungsprojekt für erheblichen Unfrieden unter den Anwohnern sorgte.
»Tolle Geschichte, aber auf einen Kaffee hofft man da vergebens«, seufzte er, als er sich auf das alte Ledersofa fallen
ließ und in seiner Tasche nach Block und Stift kramte. »Miteinander zerstrittene Nachbarn sind nicht gerade die besten Gastgeber.«
»So viel spannende Kontroversen haben wir hier leider nicht zu bieten«, scherzte ich, als Ed mit zwei Bechern Kaffee kam. »Hier sind alle nett zueinander – sogar die Blumen. Und Old Faithful macht den besten Kaffee der Upper West Side.«
»Ich mag die Atmosphäre in Ihrem Laden«, bemerkte Josh, trank seinen Kaffee und nickte anerkennend. Er schaute sich so aufmerksam um, als wollte er sich alles bis ins kleinste Detail einprägen. »Kowalski’s ist ganz anders als die anderen Blumenläden in der Upper West Side, anders als Devereau Design beispielsweise. Irgendwie … persönlicher, gemütlicher – fast gar nicht wie ein richtiger Laden. Wie machen Sie das?«
»Wir sind ein alteingesessener Betrieb, haben viele Stammkunden aus dem Viertel und sind dieser Tradition ganz bewusst treu geblieben«, erwiderte ich – und wie auf ein Stichwort hin klingelte das kleine Silberglöckchen über der Tür. Herein kam eine alte Dame um die achtzig mit schweren Einkaufstaschen. Ed eilte zu ihr und nahm ihr trotz ihrer vehementen Einwände die Taschen ab.
»Nein, wirklich, Edward … das geht schon. Nun machen Sie doch nicht so ein Theater!«
»Also hören Sie mal, Mrs Schuster, was wäre ich für ein Gentleman, wenn ich Ihnen nicht behilflich wäre?« Lächelnd bot Ed ihr seinen Arm.
Anmutig legte sie ihre Hand, die so fein und zart wie rosa Seidenpapier war, in seine Armbeuge und ließ sich zu dem weißen Korbstuhl neben dem Ladentisch führen.
»Sie sind genau wie mein Mann, Gott hab ihn selig«, sagte sie lächelnd. »Stocksteif und pedantisch, aber immer
ganz der Gentleman, so war Henry. Und ich habe Ihnen schon zigmal gesagt, junger Mann, dass Sie mich Delores nennen sollen.«
Josh beobachtete die beiden interessiert, sein Kugelschreiber verharrte reglos über dem Block, seine Reporteraugen saugten jede Einzelheit der kleinen Szene auf.
»Ist das eine Ihrer Stammkundinnen?«
»Oh ja. Seit ihre Familie vor über vierzig Jahren die Wohnung an der West 71st Street gekauft hat, kommt Mrs Schuster zu Kowalski’s. Sie war eine von Mr Kowalskis ersten Kundinnen und ist uns seitdem treu geblieben.«
»Ist es nicht schwierig, das Ladengeschäft mit der steigenden Zahl großer Aufträge zu vereinbaren, die Sie in letzter Zeit bekommen?«
Eine gute und berechtigte Frage, über die ich aber bislang noch nie ernsthaft nachgedacht hatte. Irgendwie war es immer selbstverständlich gewesen, beides nebeneinander zu machen. Das bringt Abwechslung in den Betrieb, und genau das gefällt mir ja an meinem Job. Stimmt schon, manchmal habe ich so viel um die Ohren, dass ich kaum weiß, welcher Wochentag gerade ist, und an manchen Tagen ist so wenig los, dass man die Kunden an einer Hand abzählen kann. Aber das gehört eben auch dazu: Man muss die Arbeit nehmen, wie sie kommt. Diese Unvorhersehbarkeit dürfte für manche Leute gewiss schwer zu ertragen sein, aber ich finde sie eher motivierend als beängstigend.
»Obwohl unser Laden zunehmend Aufträge für größere Events annimmt, legen wir nach wie vor großen Wert auf das Geschäft mit den Stammkunden, von denen die meisten hier im Viertel leben – und genau
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