Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
Laden marschiert war, hatte er ja nicht einmal geahnt , dass Tante Bertha überhaupt existierte ! Und deshalb kommen wir noch immer zu Kowalski’s – obwohl Mr Kowalski, Gott hab ihn selig, ja schon lange nicht mehr unter uns weilt. Wahrscheinlich lachen er und mein Henry da oben noch immer über diese Geschichte mit Tante Bertha. Und unsere junge Rosie hier ist eine Frau ganz nach seinem Geschmack: Mr Kowalski hat ihr alles beigebracht, worauf es ankommt. Haben Sie das alles schön mitgeschrieben, Joshua?«
Joshs Blick war schon ganz glasig, und er nickte benommen.
»Sie müssen entschuldigen, dass ich für kein Foto zur Verfügung stehe«, meinte Delores und deutete auf Joshs Kamera. »Aber von Publicity halte ich auf meine alten Tage gar nichts. So, junger Mann, ich kann nicht den ganzen Tag hier vertrödeln. Ich habe heute noch viel vor. Edward! Helfen Sie mir bitte auf!«
Sichtlich vergnügt geleitete Ed Delores zurück zum Ladentisch.
»Ja, wie Sie sehen, liegt uns das Geschäft mit den Stammkunden sehr am Herzen«, fasste ich lächelnd zusammen.
Josh warf einen Blick in seine Unterlagen. »Wie sind Sie denn überhaupt in New York gelandet?«, fragte er unvermittelt. »Was hat eine englische Rose dazu gebracht, in New York Wurzeln zu schlagen?«
Ich ahnte, dass dieser Satz so oder ähnlich in seinem Artikel auftauchen würde – dank meiner Freundschaft mit Celia bin ich in dieser Hinsicht sehr hellhörig geworden.
»Ich bin vor sechs Jahren von Boston hergezogen, habe eine Weile mit Mr Kowalski zusammengearbeitet und dann seinen Laden übernommen, als er sich zur Ruhe gesetzt hat«, erwiderte ich und hoffte, dass das genügen würde. Was es natürlich nicht tat.
»Haben Sie in Boston auch als Floristin gearbeitet?«
»Nein.«
»Ah. Was haben Sie denn vorher gemacht?«
Meine Nackenhaare sträubten sich, mein Herz schlug schneller. »Ich war Kreativdirektorin in einer kleinen Werbeagentur. «
»In welcher?«
»Sie existiert nicht mehr.«
Ich merkte, dass Josh mein Unbehagen nicht entging. Gespannt sah er von seinem Block auf. »Es wäre nicht schlecht, wenn wir noch ein bisschen mehr Hintergrundinfo hätten …«
»Meine Mutter ist Floristin, und ich bin praktisch in einem Blumenladen aufgewachsen. Nach der Uni bin ich dann allerdings in die Werbung gegangen, bevor ich – letzten Endes – hier gelandet bin …«
»Moment. Entschuldigen Sie meine Neugierde, aber warum haben Sie England überhaupt verlassen und sind in die Staaten gekommen?«
»Na ja«, meinte ich unverbindlich, »New York ist eben einfach toll. Wer wollte nicht hier leben? Davon träumt
doch jedes Mädchen. Die tollen Läden, die schicken Restaurants …«, versuchte ich ihn auf andere Gedanken zu bringen. Doch vergeblich.
»Schon, aber ist England nicht irgendwie … na ja, viel interessanter ?«
»Interessanter?«, fragte ich verdutzt.
»Englische Geschichte, englische Literatur … und dann die herrliche Landschaft«, schwärmte Josh. »Es muss doch wunderbar sein, jeden Tag den Spuren Shakespeares, Byrons und Keats’ folgen zu können, berühmte Universitätsstädte wie Oxford und Cambridge zu haben, das Königshaus … England war die Wiege der industriellen Revolution – das lässt man doch nicht einfach so hinter sich!«
Joshs enthusiastische Lobeshymne auf mein Heimatland verschlug mir die Sprache. Seine blassen Wangen waren erhitzt, und er fuhr sich verlegen mit der Hand durch die roten Locken.
»Wow. Tut mir leid, Ms Duncan, tut mir wirklich leid. Ich habe mich ein bisschen hinreißen lassen. Aber Sie haben bestimmt gemerkt, dass ich ganz begeistert von Ihrem Land bin.«
Ich war so froh, dass wir uns von meiner unmittelbaren Vergangenheit entfernt hatten, dass ich geradezu strahlte. »Kein Problem. Es ist ja auch wirklich schön da, und ich mag England noch immer sehr. Aber New York hat nun mal mein Herz erobert. Hier und sonst nirgends möchte ich leben.«
Als wir mit dem Interview fertig waren und Josh noch ein paar Fotos gemacht hatte, brachte ich ihn zur Tür.
Ed, der nach dem Abgang von Mrs Schuster wie ein zum Müßiggang verdammter Gentleman hinter dem Ladentisch lümmelte, beobachtete mich aufmerksam. »Alles gut gelaufen?«
»Ganz okay, glaube ich.«
»Habe ich doch gesagt.«
»Ja, hast du – in deiner unendlichen Weisheit.« Ich deutete eine Verbeugung an.
Ed grinste, sichtlich zufrieden. »Und weshalb wollte er so genau wissen, wie du hier gelandet bist? Wollte er deine Greencard
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