Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
zwei Monaten schon ernst?«
»Ja, weißt du, das soll vorkommen …«, meinte ich und ging automatisch in die Defensive.
»Also, ich kenne niemanden, bei dem das so wäre … Danach habe ich sie nach Hause gebracht, wo sie mich netterweise im Taxi zurückgelassen hat, woraufhin ich geradewegs zu Frank’s gefahren bin und mich bis zwei Uhr morgens
habe volllaufen lassen. Total toller Abend – willkommen in meinem aufregenden Leben.« Er rieb sich die Stirn und stöhnte mitleiderregend.
Höchste Zeit für den Rosie-Duncan-Notfallplan – eine Methode, die sich in der Praxis schon tausendfach bewährt hat.
»Hey, mach dir nichts draus«, munterte ich ihn auf. »Ich bin mir sicher, dass Yelena einen total schönen Abend hatte. Ist doch egal, wenn sie nicht mehr wollte. Ich meine, du bist trotzdem ein toller Typ, Ed. Du bist witzig, du siehst gut aus – okay, heute Morgen eher nicht so –, aber vor allem bist du ein wunderbarer Freund!« Ich klopfte ihm auf die Schulter. »Nun ist also eine Frau mal nicht deinem Charme erlegen. Na und? Bleiben noch genügend andere, oder?«
Ed schaute mich an, als hätte ich den Verstand verloren, und plötzlich begann alles ganz fürchterlich schiefzugehen. Statt des dankbaren, erleichterten Lächelns, das ich erwartet hatte, funkelten seine eisblauen Augen mich mit kalter Wut an.
»Das ist deine einzige Antwort auf alle Probleme, was? Optimismus – immer schön positiv denken, dann wird schon alles gut. Ja klar. Irgendwann wird immer alles irgendwie gut. Warum kannst du dir nicht einfach eingestehen, dass das Leben manchmal richtig scheiße ist? Und falls du es noch nicht wissen solltest – mit einem Lächeln oder einem Schulterklopfen wirst du die Welt nicht retten. Da draußen rennen Abertausende Menschen herum, die einsam und allein sind, und du und ich dürften wohl dazugehören. Was hat dein berühmt-berüchtigter Optimismus dir denn jemals Gutes gebracht, Rosie?«
Die Heftigkeit seiner Worte machte mich sprachlos. »Was … wo kommt das denn jetzt her? Ich wollte doch nur …«
Ed schüttelte den Kopf. »Fass dir mal an die eigene Nase.«
»Wie bitte?«
»Zeig dich da draußen, spiel mit. Du hast es eben selbst gesagt: Es gibt genügend andere, die sich mit dir verabreden wollen.«
Ich wich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das war auf dich bezogen.«
»Dann beziehen wir es jetzt eben auf dich.«
»Ich will aber nicht.«
»Warum blockst du so ab, Rosie?«
Tränen brannten mir in den Augen. »Weil ich nichts getan habe, das es rechtfertigen würde, dass du so mit mir redest!«
»Genau!«, rief Ed. »Du hast nichts getan. Du tust nie etwas, außer anderen Menschen dabei zuzusehen wie sie ihr Leben leben – als wäre das die einzige Möglichkeit für dich, Erfahrungen zu machen. Du verbringst dein ganzes Leben in diesem Laden und versuchst, hinter die Geschichten unserer Kunden zu kommen. Aber was ist deine Geschichte?«
»Hör bitte auf damit. Ich …«
»Ich will dich mal was fragen, Rosie: Was würde Mr Kowalski wohl dazu sagen, wenn er jetzt hier wäre? Hat er uns nicht immer wieder gesagt, wie wichtig es ist, ein reiches, erfülltes Leben zu führen? Er wollte, dass du endlich hinter dir lässt, vor was immer du weggelaufen bist, ehe du hierherkamst. Er hat sich Sorgen um dich gemacht. Noch als wir das letzte Mal telefoniert haben, hat er mich darum gebeten, gut auf dich aufzupassen. Was würde er wohl dazu sagen, dass du sechs Jahre später noch immer keinen Schritt weiter bist? Er wäre enttäuscht, Rosie. Er hat so große Hoffnungen in dich gesetzt, dass du etwas aus deinem Leben machen würdest. Sollte er sich in dir getäuscht haben? Sollte diese Hoffnung mit ihm gestorben sein?«
Seine Worte taten weh. Dass er Mr Kowalski auf diese Weise erwähnte – wo ich ihn doch so sehr vermisste und seinen Rat nie so dringend gebraucht hätte wie jetzt –, war mir schier unerträglich. Ich fühlte mich zutiefst verletzt, wollte aber nicht schon wieder mit Ed streiten.
Als ich endlich wieder Worte fand, klang meine Stimme beängstigend ruhig und kühl. »Danke, ich werde mal drüber nachdenken. Du hast nicht zufällig was von Marnie gehört? Sie sollte längst hier sein.«
Ed wirkte noch immer verärgert. »Oh ja, doch, habe ich. Sie hat mir auf die Mailbox gesprochen, aber ich habe meine Nachrichten erst auf dem Weg hierher abgehört. Marnie hat Grippe. Der Arzt schätzt, dass sie eine Woche ausfallen dürfte. Tut mir leid, ich hätte
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