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Die wunderbare Welt der Rosie Duncan

Die wunderbare Welt der Rosie Duncan

Titel: Die wunderbare Welt der Rosie Duncan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dickinson Miranda
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erschüttern. Das kam erst später – also zumindest das Vertrauen in Dad. Mein Glaube an den Weihnachtsmann ist dagegen ungebrochen. Ich glaubte die Geschichte sogar dann noch, als ich längst wusste, dass sie nicht wahr ist. Es ist doch so eine märchenhafte, hoffnungsfrohe Geschichte! Ich will einfach an den Weihnachtsmann glauben – auch wenn er mich längst nicht mehr besucht. Manchmal bilde ich mir sogar ein, an Heiligabend kleine Schlittenglöckchen zu hören. Vielleicht täuschen die Erwachsenen sich ja auch, und die eigentliche Lüge besteht darin zu behaupten, dass es keinen Weihnachtsmann gebe …
     
    Als ich später am Abend zu Celias Thanksgiving-Dinner eintraf, war die Party schon in vollem Gange. Nate war nicht gekommen – was Celia enttäuschte, mich jedoch nicht überraschte. Mimi und Caitlin schienen sein Leben so fest im Griff zu haben, dass ihm selbst unter normalen Umständen kaum eine freie Wahl blieb, weshalb die Vorstellung, er könnte Thanksgiving nicht im Familienkreis feiern, natürlich über die Maßen vermessen war.

    »Rosie!«, rief Celia entzückt, als sie mit einem Korb frischer Brötchen aus der Küche kam, was die Gäste dazu veranlasste, die zahlreichen Teller, Platten und Schalen auf dem Tisch hin und her zu schieben, um noch etwas Platz für den Brotkorb zu schaffen. Das war ziemlich lustig anzusehen und erinnerte mich an eines dieser Geduldspiele, bei denen man kleine Plättchen so lange im Quadrat herumschieben muss, bis man das Bild richtig zusammengesetzt hat. »Ein Glück, dass du da bist – ich bin mit den Nerven am Ende. Die Hälfte meiner Bestellung ist nicht eingetroffen, ist das zu fassen? Sechsmal hatte ich den Lieferanten heute Nachmittag am Telefon, sechsmal !«
    Ungläubig schaute ich erst die opulente Tafel, dann Celia an. » Das soll nur die Hälfte sein?«
    Sie nickte und stemmte die Hände in die Hüften wie Doris Day in Calamity Jane . »Was meinst du, Süße – ob das wohl reicht? Oh, ich werde noch wahnsinnig!«
    »Celia, damit könntest du ganz New York eine Woche lang verköstigen«, beruhigte ich sie. »Und es sieht köstlich aus. Hier, das habe ich dir mitgebracht.« Ich überreichte ihr ein kleines Sträußchen roter und weißer Rosen mit blauen Zwergdisteln und blau-weiß-roter Stars-and-Stripes-Manschette.
    Nachdem sie sich sehr überschwänglich gefreut hatte, verschwand Celia in einem Wirbel grüner Seide und weiß flatternder Schürze wieder in der Küche. Ich ging hinüber ins Wohnzimmer. Einige der Gäste kannte ich nicht – die meisten davon Mitstreiter aus ihrer Creative-Writing-Gruppe im West Village, wie ich bald erfuhr –, doch waren auch etliche vertraute Gesichter von der New York Times da. Unter anderem Josh Mercer, der junge Reporter, der das Interview mit mir gemacht hatte. Er fragte mich, wie es Mrs Schuster gehe, was ich sehr nett von ihm
fand, und stellte mir dann seinen Kollegen Stewart Mitchell vor.
    Stewart war ziemlich groß, sah umwerfend gut aus und hatte den Hauch eines Südstaatenakzents, was sehr charmant klang. Eigentlich kam er aus Iowa, hatte aber in Harvard Journalismus studiert und war dann nach New York gezogen. Schwer zu sagen, wie alt er war – erste graue Strähnen im schwarzen Haar ließen vermuten, dass er vielleicht Mitte dreißig war, aber sein Gesicht wirkte fast jugendlich. Mit seinem schüchternen Lächeln, den grünblauen Augen, die so sehr strahlten, als würden sie von innen leuchten, seiner unkomplizierten Art und seinem messerscharfen Humor schloss ich ihn sofort ins Herz.
    Bei Tisch saß ich Stewart gegenüber und neben Josh. Während der nächsten paar Stunden machten wir uns über alles her, was Celia uns aufgetischt hatte, und unterhielten uns bestens. Das ist das Schöne an Celias Partys: Irgendwie schafft sie es immer, dass alle sich wohlfühlen. Die Unterhaltung ist nie angestrengt, und man hat auch nie das Gefühl, so tun zu müssen, als vergnüge man sich – man vergnügt sich tatsächlich. Celia hat ein glückliches Händchen dafür, interessante Menschen um sich zu scharen und sie stets so zusammenzubringen, dass man sich plötzlich stundenlang mit bis dahin wildfremden Menschen unterhält, als würde man sie schon sein ganzes Leben lang kennen.
    Im Laufe des Abends fiel mir auf, wie Stewarts Blick immer wieder zu Celia schweifte. Am Anfang tat ich es als Schüchternheit ab und nahm an, dass er sich unter so vielen Fremden eben gern an bekannte Gesichter hielt. Doch nach einer Weile

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