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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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lag bestimmt auch an dem Brief, der wenige Tage nach der Leichenöffnung aus Rom gekommen war. DerHeilige Vater, Papst Innozenz   VIII., der zwar schon 1492 verschieden war, hatte im Jahre des Herrn 1484 verkündet: «Mit ernstester Bekümmernis haben Wir neulich vernommen, dass sehr viele Männer und Weiber vom allgemeinen Glauben abgefallen und mit dämonischen Wesen fleischliche Bündnisse eingegangen sind.»
    Der Abfall vom allgemeinen Glauben. Dämonen. Natürlich wurde Adams Name da wieder genannt.
    Und dann war die Pest gekommen und hatte gehaust. Der Henker, das Kräuterweib und die Hure Renate waren ihr zum Opfer gefallen. David Pfeiffer, ein selbst ernannter Prophet, hatte schwere Jahre vorhergesagt und damit auch noch Recht behalten. Nun waren die Leipziger erst recht alarmiert und witterten überall gotteslästerliches Verhalten. Und wie immer in diesen Situationen fand sich auch wieder jemand, der mit dem Finger auf Adam zeigte und die alten Geschichten herauskramte. Nein, Priskas Sorgen um Adam hörten nie auf. Aber war es wirklich das, was die anderen Liebe nannten?
     
    Im Frühling nach dem Pestjahr hatte Priska am Freitag vor der Fastnacht ein Veilchen gesehen. Ein Veilchen im Februar! Was für ein Zeichen der Hoffnung nach all den dunklen Jahren. Sie hatte sich gebückt und es geborgen wie einen Schatz. Eine Geschichte fiel ihr ein, die sie einmal von der Lechnerin gehört hatte. Nein, nicht ihr hatte Ute Lechner die Geschichte erzählt. Für Eva war die Geschichte gewesen, damals, als sie sich gerade in David verliebt hatte. Vulkanus, der Gott, hatte sich in Venus verliebt. Sie aber verschmähte ihn. Erst als er sich am ganzen Leib mit Veilchen eingerieben hatte, sank Venus auf sein Lager.
    In der Hand hat Priska die Liebesblume bis nach Hause getragen, geschützt unter ihrem Umhang. Lächerlich hatte sie sich gefühlt, weil sie das Veilchen als Zeichen sah. Wer ohne Hoffnung ist, der wartet auf Zeichen, dem ist alles und jedes ein Omen. Sie würde sich damit einreiben. Vielleicht zwang dies Adam in ihr Bett.
    Zu Hause hatte sie daran gerochen. Sie hatte die Veilchenblüte zwischen die Lippen geschoben, hatte an den zarten blauen Blättern geleckt, hatte das Sanfte, Liebliche geschmeckt und gefühlt. Aber dann, Priska wusste nicht, was über sie gekommen war, hatte sie hineingebissen in das Sanfte, Zarte. Ihre Zähne hatten die Blütenblätter auseinander gerissen, sie hatte den bitteren Brei geschluckt, hatte nach dem Stil gefasst, den grünen Blättern und auch diese zerfetzt und ungekaut verschlungen. Die Liebesblume hatte sich in der Kehle zu einem Klumpen gesammelt, der brannte und Priska beinahe die Luft nahm. So, wie ihr die Liebe die Luft nahm und wie sie ihr gleichzeitig zu Atem hätte verhelfen können, wenn   …
    Aber das Wenn gab es nicht; Adam begehrte sie nicht. Er mochte sich sorgen, doch das reichte Priska nicht. Je länger sie mit ihm lebte, umso heftiger wurde ihr Begehren. Manchmal wollte sie sich dem Nächsten vor die Füße werfen, der da kam, wollte ihn anflehen, das Brennen in ihrem Schoß zu entfachen und gleichzeitig zu stillen. Der Dämon der Wollust, wie der Probst ihn nannte, hatte Besitz von ihr ergriffen. Mit jedem Tag ein wenig mehr. Lag es daran, dass es schon 1800   Pesttote in der Stadt zu beklagen gab? Man sagte, wo der Tod war, da war die Sehnsucht nach Leben am stärksten. Und war die Wollust nicht eine Art Sehnsucht nach dem Leben?
    Am schlimmsten war es, wenn sie zu den Frauen ins Hurenhaus ging. Die hatten im Übermaß, was Priska so ersehnte, und es half ihr gar nichts, wenn die Hübschlerinnen dieses Übermaß als Geißel ansahen. Sie redete von den Ringen aus Bienenwachs, die mittlerweile ein Gerüst aus Silberdrähten bekommen hatten, und wünschte sich nichts mehr, als selbst einen solchen Ring gebrauchen zu können.
     
    Als Kaiser Maximilian am 23.   Juni 1507 den Messebann um Leipzig auf 15   Meilen ausweitete, erwachte Priskas Hoffnung erneut. Leipzig war jetzt als Messestadt etabliert und hatte Erfurt überflügelt. Immer mehr Menschen kamen in die Stadt. Und mit ihnen neue Gedanken und Ideen. Vielleicht war etwas darunter, das Adam verändern und in ihre Arme treiben konnte. Ja, auch diese Hoffnung war töricht, doch es war besser als gar nichts.
    Aber nichts geschah. Nicht 1507 und auch nicht zwei Jahre später, 1509, als die Universität ihren 100.   Geburtstag feierte und Ärzte aus vielen Teilen des Deutschen Reiches kamen, um über

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