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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Kapitel
    Acht Jahre später
    Als sie noch in der Vorstadt wohnte, hatte Priska die Kräuterfrau gefragt, was Liebe sei.
    Amalie hatte sie von der Seite angesehen und gefragt: «Wie alt bist du, Kind?»
    Priska hatte mit den Schultern gezuckt. «Elf vielleicht, oder auch erst zehn.»
    «Ein bisschen früh für solch eine Frage, nicht?»
    Priska hatte wieder mit den Schultern gezuckt und die Kräuterfrau mit unbewegter Miene angesehen.
    «Liebe, Herrgott, Kind, wie soll ich das erklären?» Amalie rührte mit einem Holzlöffel im Kessel, in dem der Sud braute. «Liebe ist, wenn dir jemand wichtig ist. Wenn du dich um jemanden sorgst, dann liebst du ihn.»
    Priska sorgte um Adam, seit sie ihn kannte. Verletzlich war er ihr erschienen; sein Hals schien immer in der Schlinge zu stecken, sein weißer Nacken dem Fallbeil des Henkers stets entgegengebeugt. Ohne Adam war sie allein, war sie ein Nichts. Also hatte sie sich eher um sich gesorgt?
    Damals, als er die Leichenöffnung zelebrierte und damit großes öffentliches Aufsehen erregte? Acht Jahre war es her, seine Stellung als Stadtarzt war gefährdet gewesen, und viele sagten, er habe die Universität, die Wissenschaft gar beschmutzt.
    Priska fand, dass er damals richtig gehandelt hatte, als er die Bader und Starstecher, die Feldärzte und Chirurgen, die Bruchschneider und sogar den Henker dazugeholt hatte. Auch, wenn es ungewöhnlich gewesen war. Das Neue brauchte halt Zeit. Aber hatte sich seitdem etwas verändert?
    Adam experimentierte immer noch an einer Arznei gegen die Franzosenkrankheit. Wieder und wieder änderte er die Quecksilberbeigabe. Tag und Nacht verbrachte er im Laboratorium; er braute, brannte, destillierte, er wog und maß. Er mischte winzige Mengen des Metalls mit Mehl und presste Pillen daraus. Oder er stellte Salben aus Fett und Quecksilber her und gab sie den von der Lustsseuche Befallenen, damit sie sie auf ihre Wunden taten.
    Aber ein Durchbruch war ihm nicht gelungen. Nur ein wenig Linderung hatte er ihnen verschafft. Noch immer starben ihm die Kranken unter den Händen weg. Hilfe bekam er von denen, die er damals in die Universität gelassen hatte. Ein Feldscher berichtete vom Krieg gegen die Türken, an dem er teilgenommen hatte, erzählte, wie sie sich ernährt hatten. Wenig Fleisch und Fett, viel Gemüse. Einige, die vorher krank waren und über brennenden Urin klagten, waren gesund geworden.
    Die Chirurgen kamen und beschrieben die Veränderungen an den Knochen derer, die zu ihnen kamen. Selbst der Henker hatte ihn geholt, wenn er wieder einen um Kopf und Kragen gebracht hatte. Doch die Arbeit war so mühsam, war so zäh, die Fortschritte kaum sichtbar. Und immer wieder diese Vorsicht, diese Heimlichkeiten. Das war es, worunter Priska am meisten litt. Als wären sie Verbrecher! Hinter vorgehaltener Hand sprachen einige von Zeit zu Zeit von Dämonen. Wer einmal das Ziel eines solchen Gerüchtesgeworden war, der wurde es zeit seines Lebens nicht mehr los. Es meldeten sich immer wieder Nachbarn und andere Wohlmeinende zu Wort und sorgten dafür, dass nichts in Vergessenheit geriet.
    Darum hatte auch Priskas Sorge um Adam nie ein Ende. Immer wieder gab es neue Anlässe. Doch auch um sich selbst sorgte sie sich, auch sie musste aufpassen.
    Wenn sie bei den Huren im Frauenhaus war, so musste sie jedes Wort sorgsam wählen, um nicht in einen bösen Verdacht zu geraten. Sie erzählte den Frauen, was man außer beten noch tun konnte, um einem Kind das Leben zu schenken. Viel ausführlicher aber berichtete sie davon, was man tunlichst zu unterlassen hatte. Dazu holte sie den Mutterring aus Bienenwachs hervor. «Seht ihn euch genau an», forderte sie die Frauen auf. «Davor müsst ihr euch hüten wie vor dem Teufel selbst. Denn dieses Ding hier, dieser Mutterring, kann euch um die Früchte eurer Liebe bringen.»
    Bedächtig nahmen die Frauen das Gebilde aus Bienenwachs in die Hand, lächelten leise und fragten: «Wo kann man dieses Bienenwachs kaufen? Wie stellt man daraus einen Mutterring her? Wir müssen dies wissen, Doktorsfrau, damit wir – der Herrgott möge es verhüten – nicht aus Versehen zum falschen Händler auf den Markt gehen und am Ende Dinge kaufen, die der Seele Schaden zufügen. Sonst sagen die Leute noch, wir würden gemeinsame Sachen mit einem Dämon machen.»
    Dämonen. In jedem Mund fand sich das Wort. Schon immer hatten viele Leute Angst vor Dämonen, aber nun kam es Priska so vor, als würden immer mehr Leute verdächtig.
    Das

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