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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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einem Zug und hielt ihn Adam erneut hin. Auch den zweiten Becher trank er gierig, ebenso den dritten.
    Seine Augen begannen zu schwimmen. «Es kribbelt, als liefen tausend Ameisen über meinen Körper», sagte er mitschwerer Zunge, doch auf seinem Gesicht stand ein Lächeln. «Wird es lange dauern?»
    Adam schüttelte den Kopf. «Nicht länger als eine halbe Stunde», sagte er.
    Priska wäre am liebsten gegangen. Sie fühlte sich, als würde sie durch ein Schlüsselloch in eine verbotene Kammer sehen, doch sie wusste, dass sie bleiben musste. Sie setzte sich mit angezogenen Knien auf den kalten Steinboden, wandte den beiden Männern den Rücken zu und wiegte sich leise hin und her. Sie hätte sich gern die Ohren verschlossen, doch sie hörte jedes Wort, das die beiden sprachen.
    «Nimm mich in den Arm», hörte sie die Stimme des jungen Baptist. «Halte mich! Sei bei mir, wenn der Tod kommt.»
    Und Adam antwortete: «Hab keine Angst, mein Lieber. Ich bin bei dir und bleibe bei dir.»
    Dann hörte sie nichts mehr, nur noch leise Geräusche, die nach einem Streicheln klangen und nach einem Kuss. Sie schnellte herum, wollte verhindern, dass Adam den Tod von den Lippen des Liebsten schlürfte. Doch das tat er nicht. Er hatte Baptist an seine Brust gedrückt, presste den Mund auf die Tonsur des ehemaligen Mönches und netzte dessen Kopfhaut mit Tränen. Baptist klammerte sich mit beiden Händen an den Leib Adams und röchelte. Zuerst leise, dann immer lauter und quälender.
    Priska hielt sich die Ohren zu. Nein, sie wollte nicht hören, wie der Geliebte, der Bettschatz ihres Mannes, in dessen Armen starb. In Armen, die sie noch nie so gehalten hatten und niemals so halten würden.
    Was mache ich hier?, fragte sie sich. Das Röcheln drangdurch ihre Hände hindurch, und Priska begann ein Lied zu summen, um das Sterben nicht länger mit anhören zu müssen. Sie wollte aufstehen und hinausrennen, doch sie saß wie gelähmt.
    «Wie lange dauert es noch?», fragte sie leise. Niemand antwortete ihr. Nur ein Röcheln, so qualvoll, dass sie sich zusammenkrümmte, drang an ihr Ohr. Und endlich antwortete Adam mit einer Stimme, die ganz blass und klein war: «Er ist bewusstlos, Gott sei Dank. In wenigen Minuten ist es vorbei.»
    Priska legte die Hände wieder auf die Ohren, schloss die Augen und wünschte sich ganz weit weg. Plötzlich überkam sie eine Kälte, wie sie noch nie eine erlebt hatte. «Das ist der Eishauch des Todes», flüsterte sie leise vor sich hin. Schreckliche Angst stieg in ihr auf. Sie fühlte sich so allein und verlassen wie noch niemals zuvor in ihrem Leben. Eine unendliche Zeit verging. Dann hörte sie, wie Adam sich bewegte. Sie nahm die Hände von den Ohren, öffnete die Augen und wandte sich um.
    Adam bettete seinen Liebsten ganz behutsam auf das Stroh, faltete ihm die Hände und schloss ihm die Augen.
    Dann kniete er noch einen Moment neben ihm, und Priska sah seine Tränen auf den Leichnam tropfen.

Achtzehntes Kapitel
    Vielleicht hätte Adam seine Frau in dieser Nacht dringend gebraucht. Bis in ihre Kammer hörte Priska sein Schluchzen, sein Aufheulen und Keuchen. Doch sie ging nicht zu ihm hin. Starr lag sie in ihrem Bett, die Arme unter dem Kopf verschränkt, und starrte an die Decke. Ohne es zu bemerken, knirschte sie mit den Zähnen. Als sie sich dessen bewusst wurde, begann sie zu weinen. Oh, sie war so wütend auf Adam. So wütend, dass sie beinahe daran erstickte. Immer musste sie für ihn da sein. Sie war seine Frau, sie hatte es vor dem Altar geschworen.
    Damals, als sie den Schwur getan hatte, hatte sie ihn reinen Herzens und besten Willens getan. Sie hatte geglaubt, Adam zu lieben. Doch sie hatte nicht gewusst, wie schwer es war.
    Liebe ich ihn noch immer?, fragte sie sich. Es war ihre Pflicht, an seiner Seite zu sein. Nun, sie war da gewesen, hatte ihn nicht im Stich gelassen. Dafür zürnte sie ihm nun, gab ihm die Schuld daran, nicht mit Aron gehen zu können.
    Sie fand ihr Verhalten richtig – und gleichzeitig litt sie darunter, wünschte sich so sehr, anders gehandelt zu haben. Sie stritt mit sich, stritt in Gedanken mit Adam.
    Adam hatte sich seine Liebe gegönnt, hatte ihr nicht widerstanden. Von ihr nun verlangte er das Gegenteil. Nein,dachte Priska, das ist ungerecht. Er hat nichts von mir verlangt. Ich habe alles freiwillig getan.
    Ihre Liebe zu Adam war anders als die Liebe zu Aron.
    Die erste war von Sorge erfüllt, von Treue und Zusammenhalt. Die andere von Leidenschaft, von

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