Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
Barfüßermönche hinüber, die sich nahe des Rathauses eingefunden hatten und stumm mit gefalteten Händen dastanden.
    Adam und Priska waren nicht inmitten der Menge, sondern hatten auf den Bänken Platz genommen, die für die Honoratioren reserviert waren. Johann von Schleußig und Eva saßen bei ihnen. Der kleine Aurel hüpfte auf Evas Schoß auf und ab und quengelte, weil er nicht herumlaufen konnte.
    Adam saß zusammengesunken da und starrte auf den Boden. Priska wusste, dass ihm der fröhliche Lärm in den Ohren schmerzte. Der Scheiterhaufen war aufgeschichtet, der Scharfrichter legte gerade die letzte Hand an. Priska sah ihren Mann von der Seite an. Er zitterte am ganzen Körper, als wäre ihm unendlich kalt.
    Eva, neben ihr, reckte den Hals, um alles gut sehen zu können. Sie wirkte unbekümmert, und Priska sah, dass Johann von Schleußig heimlich ihren Arm tätschelte, dann beiläufig ihre Hand berührte. Sie sah auch die Blicke voller Zärtlichkeit, die die beiden austauschten. Priska wandte sich ab. So wütend sie auch auf Adam war; sie fand Evas Benehmen an einem solchen Tag ungehörig.
    «Er leidet sehr», sagte sie und stieß die Schwägerin leicht in die Seite. «Es geht ihm wirklich schlecht.»
    Eva nickte. «Ja», sagte sie, bot aber sonst keine Unterstützung an.
    Ein Wasserverkäufer schritt am Rande des Geschehensentlang und pries seine Ware an. «Ich werde Wasser holen», sagte Priska und tippte Adam leicht an. «Du wirst es brauchen.» Adam nickte, ohne sie anzusehen, dann aber griff er nach ihrer Hand und drückte sie. Seine Hand war eiskalt und feucht vor Schweiß.
    Priska drängte sich durch die Reihen, in denen die Menschen dicht an dicht standen. Sie spürte die misstrauischen und verächtlichen Blicke derer, die nicht an Adams Unschuld glaubten. Eine Frau, dick wie eine Tonne, sagte sogar sehr laut: «Eine richtige Frau hat es noch immer geschafft, das Ehebett warm zu halten.»
    Die Umstehenden lachten. Priska warf den Kopf in den Nacken, straffte die Schultern und ging mit hochmütiger Miene an der Frau vorbei. Sie war gerade mal drei Schritte weiter gekommen, als sie plötzlich spürte, wie etwas gegen ihre Haube knallte. Sie fuhr mit der Hand an die Stelle und zuckte zurück. Jemand hatte ein faules Ei nach ihr geworfen. Priska atmete ganz tief ein, dann ging sie weiter, als wäre nichts geschehen. Doch schon traf sie etwas am Rücken; wieder war es ein faules Ei. Ein Mann stieß sie gegen die Schulter, ein anderer spuckte nach ihr.
    Priska konnte sich nicht erklären, warum sie plötzlich im Mittelpunkt des Interesses stand. Sie drehte sich um – und sah Regina. Ihre Schwester zeigte mit dem Finger auf sie und feuerte die Umstehenden an: «Da ist sie! Sie ist schuld am Tod des armen Mönches! Ihr kalter Schoß hat den Stadtmedicus aus ihrem Bett getrieben! Sie ist schuld! Diese Schlampe da, die sich unter der Haube der ehrbaren Ehefrau verbirgt!»
    «Nicht die Schuld des Mannes ist es, wenn er das Weib flieht», stimmte nun eine Männerstimme ihr zu, und Priskaerkannte den Zimmermann. «Sie muss brennen; sie hat die Lenden ihres Ehemannes verhext.»
    Die Menge schloss sich um Priska. Sie schwankte unter den Püffen und Stößen hin und her.
    «Seid Ihr noch bei Sinnen?», schrie sie zurück. «Was habe ich mit dem Mönch zu schaffen?»
    Wieder flog ein Ei, traf Priska schmerzhaft an der Stirn, zerplatzte und ließ seinen Inhalt über ihr Gesicht, in ihre Augen strömen. Blind fuchtelte sie mit der Hand herum, taumelte vor – und wurde plötzlich gehalten.
    «Hier», sagte eine Stimme. «Nehmt das Tuch!» Eine Hand ergriff Priskas Arm und führte sie aus der Menge. Als sie wieder sehen konnte, erkannte sie Margarete.
    «Du?», fragte sie. «Ich danke dir.»
    «Ja, ich», erwiderte Margarete. «Wisst Ihr nicht? Zu den Hinrichtungen dürfen auch die Huren kommen.»
    Priska sah sich um. «Aber du bist allein. Wo sind die anderen?»
    Margarete lächelte.
    «Du lügst», sagte Priska und lächelte ebenfalls zaghaft, befühlte dabei die Beule, die auf ihrer Stirn wuchs. «Du bist nicht als Hure hier, du trägst den gelben Schleier, das Hurenzeichen, nicht.»
    Margarete nickte, wischte eine Eierschale von Priskas Wange.
    «Wer hat dich geschickt?», fragte sie.
    «Der Fremde war es, der in der Hütte der alten Ursula wohnt.»
    Plötzlich konnte Priska vergessen, was ihr gerade widerfahren war. Die Beule schmerzte nicht mehr, die Ohren rauschten nicht mehr von den Schmähungen.
    «Danke,

Weitere Kostenlose Bücher