Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)
Chevy gepasst.
Wie lange war das jetzt her? Zwei Jahre? Zuerst hatte sie in einem muffigen Studentenwohnheim in Queens gewohnt. Das war direkt nach ihrer Ankunft in New York gewesen. Und davor, vor der großen Stadt, die, wie sie damals dachte, gleichsam die Welt war, in einer Bude in Redwood Falls, Minnesota. Sie hatte als ordentliche Studentin die Columbia besucht und gejobbt; und dann, vor sechs Jahren, hatte sie das Studium abgebrochen, um das Leben zu spüren, so, wie sie es sich immer vorgestellt hatte. Ein langer, unsteter Weg war das gewesen. Redwood Falls und Brooklyn Heights, die entgegengesetzten Enden einer sehr seltsamen Skala.
Sie rieb sich müde die Augen. Oh, sie hasste es, wenn sie plötzlich Gedanken wie diese überraschten, und das am frühen Morgen, kurz nach dem Aufwachen, wenn sie keine Chance hatte, an etwas anderes zu denken. Sie war dem müden Grübeln hilflos ausgeliefert, bis das alles langsam in der Flut von Liedern aus dem Radio verschwamm.
Du bist neunundzwanzig, hast dein Studium abgebrochen, arbeitest in einem Buchladen und bist eine richtige Künstlerin, wie du es immer wolltest. Faye wunderte sich immer wieder, dass man mit so wenigen Worten ein ganzes Leben umschreiben konnte. Ja, sie war hin und wieder eine Künstlerin. Abends, in Clubs mit dem Flair der 50er-Jahre. Nur das Klavier, ein Mikrofon und sie und ab und zu eine Gitarre. Hin und wieder sogar mit Band.
Sie seufzte noch mal. Manchmal half das, heute irgendwie nicht. Sie fühlte sich seltsam, als würde sie darauf warten, dass etwas passierte. Aber was sollte an einem Tag wie diesem schon passieren?
Sie sah den Müllmännern hinterher, schon waren sie verschwunden. Unten auf der Straße hatte der Tag längst begonnen.
Faye Archer begann eine Melodie zu summen, und dann schüttete sie den Rest des schwarzen Kaffees in den Blumenkasten, der vor dem Fenster stand. Sie tat das öfter, den Blumen machte es anscheinend nichts aus.
Dass Ian sich gemeldet hatte, war lästig, nicht mehr.
»Der Kerl ist ein Waschlappen«, hatte Dana schon damals erkannt. »Der wird dir noch lange auf die Nerven gehen.«
»Damit komme ich schon klar.«
»Du brauchst eine neue Telefonnummer«, hatte sie ihr geraten.
»Ja, ich weiß.«
Dana war ihre beste Freundin. »Du weißt, dass du es wieder vergessen wirst.«
»Ja, auch das.«
Faye hatte es bisher noch nicht geschafft, sich eine neue Nummer zuzulegen. Die Anrufe von Ian hielten sich in Grenzen, irgendwie gehörte die Sache mit der neuen Telefonnummer zu den Dingen, die zu erledigen sie nie schaffte, weil immer etwas anderes dazwischenkam, und außerdem war er der einzige Exfreund, der sich noch meldete.
Als sie zusammenkamen, drei Jahre war das jetzt her, war Faye schon nicht mehr an der Columbia eingeschrieben gewesen. Im Nachhinein war man immer schlauer. Das war eine der Lektionen, die es zuhauf umsonst gab.
Faye rieb sich müde den letzten Schlaf aus den Augen.
»Hallo, Tag!«, sagte sie laut und blinzelte in den Sonnenschein. Sie überlegte kurz, ob sie mit den Staubkörnern, die träge im Licht schwebten, tanzen sollte. Sie lächelte still vor sich hin.
Dann stakste sie ins Bad und nahm eine kalte Dusche, schrie dabei innerlich, so laut sie nur konnte, und wickelte sich schließlich in ein Handtuch ein; mit dem zweiten rubbelte sie sich die schulterlangen dunklen Haare halbwegs trocken. Als sie damit fertig war, trippelte sie durch die fast leere Wohnung und suchte ihre Klamotten zusammen.
Sie schlüpfte in ein orangefarbenes Kleid, zog grüne Chucks dazu an und ließ die Haare trocknen, während sie sich aufs Fensterbrett setzte, die Kaffeepfütze im Blumenkasten betrachtete – Kaffee, das wusste sie aus Erfahrung, versickerte langsamer als Wasser – und dann erneut nach unten auf die Straße schaute, um dem belanglosen Treiben dort zu folgen.
Ihr Blick wanderte schließlich in die Wohnung zurück, und sie fragte sich, wann genau sie damit begonnen hatte, sich hier heimisch zu fühlen. Minnesota war so weit weg wie das Leben einer völlig Fremden und Queens mit den seltsamen Studentenfreundschaften und den oft wechselnden männlichen Bekanntschaften ebenso. Sie führte jetzt ein ruhiges Leben, und wenn sie ehrlich war, sah die Wohnung auch genau so aus. Ja, sparsam und ruhig, mit einer Unmenge an Grünpflanzen, die groß waren, riesengroß teilweise, und die wucherten, in allen Ecken, und raschelten, wenn sie in Eile über die Holzdielen lief.
Mitten im Raum standen
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