Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)
nautisches Gerät. Faye hatte sich hier immer wohlgefühlt.
Und jetzt?
Was würde sie tun, wenn Alex nicht kam? Was würde sie tun, wenn er doch endlich kam? Wie würde sich ihre Begegnung entwickeln?
Sie musste wieder an die hübsche Frau an seiner Seite denken, und erneut wurde ihr bewusst, wie absurd die Situation war. Es passte nichts zueinander, und sie hatte noch immer das beklemmende Gefühl, dass sie auf dem besten Weg war, sich zum Affen zu machen.
»Du kannst die Finger trotzdem nicht von ihm lassen«, wisperte eine Stimme in ihrem Kopf, die sie jetzt nicht hören wollte.
Sie las die Karte und dachte an ein Seemannslied, das sie jetzt gern gesungen hätte. Manchmal konnte Singen wirklich helfen.
Verdammt, sie war so was von nervös.
Und wo, zur Hölle, blieb er nur?
Sie trank das Wasser aus und bestellte ein Glas Wein. Sonoma Cutrer, rot und samtig wie ein Song von Miles Davis. Wie die Musik ging auch der Wein direkt in den Kopf.
Schön!
Die Zeit verging. Alex kam nicht.
Sie bestellte ein zweites Glas.
Sie bemerkte die Blicke der Bedienung, die verstohlen zu ihrem Tisch schaute, und ihre Laune wurde zusehends schlechter.
Sie bestellte etwas von der Karte, gefüllten Yellowfin Tuna mit italienischem Schinken, gerösteten Zwiebeln und einer Vinaigrette mit schwarzen Trüffeln. Dazu Sonoma Cutrer, Glas Nummer drei.
Sie musste den Tatsachen ins Auge sehen: Die Gewissheit, dass Alex Hobdon nicht kommen würde, begann stärker und stärker zu werden.
Faye widerstand dem Drang, online zu gehen – vorn, beim Eingang, lagen vier nagelneue Tablets für die Gäste des Lokals –, denn was, wenn er nicht geschrieben hatte?
Sie stieß innerlich eine Reihe von Flüchen aus, die jedem Seemann zur Ehre gereicht hätten. Was war nur mit dem Kerl los?
Faye begann zu ahnen, dass es ein Fehler gewesen war, sich auf dieses Treffen einzulassen.
Sie schickte eine SMS an Dana. Er ist noch nicht da. Zwei Minuten später schickte sie eine weitere SMS. Schrecklicher Abend. Der absolute Horror! Die dritte SMS lautete: Denke, das war’s jetzt.
Die anderen Gäste sahen zu ihr herüber. Logisch! Wer saß schon so lange allein am Tisch? Ganz klar, was hier los war. Sie wirkte wie jemand, der versetzt worden war, weil sie jemand war, den man versetzt hatte. Ihre Finger trommelten unruhig auf dem Tisch herum.
Die Bedienung brachte schließlich den Teller. Er war riesig, der Thunfisch elegant drapiert. Unter normalen Umständen wäre es ein Fest gewesen, dieses Mahl zu genießen. Faye aber stocherte nur, mit einem penetranten Anflug von Bauchschmerzen, in dem Essen herum, trank den Wein dazu und fühlte, wie sich der Alkohol langsam mit ihrem Bewusstsein anfreundete. Sie saß da, und ihr war ganz heiß vor Wut und Enttäuschung und Verzweiflung. Ja, sie war wütend. Verdammt! Er war nicht da. Nicht einmal der Wein spielte die Bedeutung des Augenblicks herunter. Alles um sie herum schien sich wie in Zeitlupe zu bewegen. Die Gesichter der anderen Gäste indes waren umso schärfer umrissen. Faye glaubte, abfällige Bewegungen von Mundwinkeln zu erkennen, Geflüster zu hören, bedauernde Blicke zu sehen.
Klasse!
Sie ertappte sich dabei, an ihre früheren Verabredungen zu denken. Dass Dana besser über diese Bescheid wusste als sie selbst, war schon bezeichnend für die Bedeutung, die Faye ihrer Vergangenheit zumaß. Tom, erinnerte sie sich, war ein redseliger Musiker gewesen, allzeit unglücklich und melancholisch. Scott, Paul, Brian, Ian. Sie war wirklich mit allen hier im Boatman gewesen, wie absurd war das denn? Sie fühlte sich wie in einem Film, in dem zu melancholischer Lounge-Musik zu einer Montage aus alten Szenen übergeblendet wurde.
Pah!
Vorbei war vorbei.
Sie schaute auf die Uhr, 10:40 pm.
Alex Hobdon, dachte sie, du bist so ein Arschloch!
Sie starrte auf den Teller vor sich. Immerhin war sie jetzt satt. Dann schaute sie wieder auf den Fluss hinaus. Ein wütendes Seemannslied fiel ihr ein, und sie hoffte, dass sie den Text bis zum nächsten Morgen nicht vergessen hätte.
»Faye Archer«, murmelte sie, »du solltest jetzt gehen.«
Sie winkte die Bedienung zu sich und zahlte.
Dann schrieb sie Dana eine SMS: Hilfe!
Ihr Handy vibrierte nur einen Sekundenbruchteil später, und sie las die Antwort: Schon da!
Faye blinzelte und dachte: Na, klasse! Instinktiv schaute sie zum Eingang. Ihr Herz machte einen Sprung. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, als sie sah, wer dort stand.
»Er ist es
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