Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)
lange geheim bleiben würde. Die Club-Szene, das wusste jeder, war immerzu in Bewegung. Und Hippie-Style war neu, zumindest in Brooklyn; Balearic Trance zu exotisch, jedenfalls vor ein paar Jahren noch, als die Loops erst langsam zur Vergangenheit wurden und den Raum für all die Variationen schufen, die inzwischen Standard waren.
Seit mehr als einer Stunde war Faye jetzt bereits hier, und bisher hatte sie Alex Hobdon noch nicht entdeckt. Sie befürchtete schon, dass sie umsonst gekommen war. Dessen ungeachtet, genoss sie die Musik. T. C. und Cricket hätte es hier gefallen, Mica eher nicht. Der Musikgeschmack des Shaolin war schwer zu durchschauen. Sie vermisste Dana. Ja, vielleicht war das ein Fehler gewesen; sie hätte Dana Carter mitnehmen sollen. So kam sie sich so allein vor. Andererseits hatte sie das hier von Anfang an allein durchziehen wollen. Also los! Sie hatte etwas getrunken und sich auf der Tanzfläche herumgetrieben. Dana würde es hier gefallen, ohne Frage.
Die Zeit flog dahin, als gebe es sie nicht. Irgendwann erblickte Faye dann die Frau, der sie vor zwei Tagen abends vor der Bäckerei Lassen & Hennings zum ersten Mal begegnet war. Enges Kleid, schlicht und elegant. Große Ohrringe, die Haare pechschwarz. Die strenge Brille, die sie so intelligent hatte aussehen lassen, trug sie jetzt nicht, dafür vermutlich Kontaktlinsen. Und sie war noch genauso umwerfend hübsch und so verdammt anders als Faye! Die Freundin, in deren Begleitung sie war, sah ebenfalls gut aus. Nein, Faye korrigierte sich, sie sah fantastisch aus, fast hätte sie als Profi-Model durchgehen können. Von Alex indes war nichts zu sehen. Die beiden Frauen redeten wenig, nippten an ihren Drinks, standen neben der Tanzfläche und begnügten sich fürs Erste damit, einfach nur unverschämt gut auszusehen. Alex Hobdons »Freundin« – Faye gestattete es sich, sie so zu nennen – sah sich hin und wieder suchend um, fast so, als hielte auch sie Ausschau nach Alex.
Faye seufzte.
Sie spürte, dass ihre Hände und ihre Füße sich nicht dem Takt der Musik entziehen konnten. Außerdem spürte sie die beiden Drinks. Ramos Gin Fizz war nicht zu unterschätzen.Trance flutete ihre Sinne. Im dämmerig flackernden Licht des Clubs kamen ihr all die Menschen auf einmal wie entfernte Traumgestalten vor, die sich elegisch auf den Wellen der Beats und Grooves treiben ließen, unwirklich und doch real, nah und doch nur flackernder Hintergrund.
Unauffällig bewegte sich Faye in der Menschenmenge, ohne die beiden Frauen aus den Augen zu lassen. Wenn sie hier war, dann würde Alex vermutlich auch im Club auftauchen, früher oder später. Es war immerhin Samstagabend, und wenn sie wirklich seine Freundin war, woran Faye nicht zweifelte, würden sie den Abend wohl gemeinsam verbringen.
Also wartete Faye. Tanzte.
Ein junger Mann, der unverschämt gut aussah, streifte sie mit seinem Blick, bevor er wieder in der Menge verschwand. Faye lächelte. Die Männer warfen ihr noch genügend interessierte Blicke zu. Sie war nicht auf Alex Hobdon angewiesen. Ja, vielleicht sollte sie sich, wie all die anderen Gäste hier, einfach treiben lassen und abwarten, an welche Küste sie die Wellen trugen? Unentdeckte Länder, ferne Inseln, Seeleute. Sie musste grinsen. Langsam kam ihr der Abend wie ein kleines Abenteuer vor.
Zeit für einen weiteren Drink, dachte sie.
Da setzten sich die beiden Frauen in Bewegung. Sie schoben sich durch die Menschenmenge, vorbei an der Tanzfläche, wo sie die Blicke der Männer ernteten, hinein ins Labyrinth aus Gängen, an den Tischen und der Bar vorbei, die Treppe hinab in den Keller, wo sich das Labyrinth fortsetzte.
Faye ging ihnen nach wie ein Schatten. Die auch hier überall auf dem Boden verstreuten Erdnussschalen knirschten unter ihren Schuhen. Sie hielt Abstand und fragte sich, ob die Frau sie wohl wiedererkennen würde. Sie hatte sie nur kurz gesehen, und zudem hatte Faye auf der anderen Straßenseite gestanden. Aber falls Alex ihr Fayes Namen genannt und sie diesen gegoogelt hatte, würde sie Faye sicher identifizieren können.
Unauffällig folgte Faye den beiden.
Wohin gingen sie?
Zur Toilette. Klar, wohin sonst? Die beiden waren auf dem Weg zur Toilette, um sich frisch zu machen.
Faye ließ sich nicht abschütteln. Sie spürte den Alkohol. Er machte sie so verwegen und mutig, wie sie es sonst nicht war, und sie beschloss, das Risiko, enttarnt zu werden, einfach auf sich zu nehmen.
Die Waschräume befanden sich am
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