Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)
»Diese Frau« klang so abfällig. »Diese Frau«, das bin ich, dachte sie. Den Hass zu spüren, den Jennifer Towles gegen sie hegte, war wirklich kein schönes Gefühl.
»Vielleicht.« Stille, Geklapper. »Ich weiß es nicht«, gab Jennifer schließlich zu.
»Vielleicht«, versuchte Zoe sie zu beruhigen, »ist aber auch alles in Ordnung. Ich meine, wir reden doch nur über deine Befürchtungen. So richtig passiert ist doch noch gar nichts.«
»Kontrolle ist trotzdem besser. Du kennst mich, ich bin ein Kontrollfreak, war ich schon immer. Außerdem weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn er eine Frau ansieht, die er nicht ansehen soll. Diese blöde Schlampe. Ich bin ganz sicher, dass er an sie denkt.«
»Wieso? Was glaubst du denn, was zwischen ihr und Alex war?«
»Du meinst, was vor vier Jahren passiert ist?«
»Ja.«
»Ich habe nicht den blassesten Schimmer.«
»Red keinen Unsinn. Ich kenne dich.«
Kurze Pause.
Faye lauschte angestrengt.
»Na ja, ich denke, da ist was gelaufen zwischen den beiden.« Jennifer sprach jetzt eher bedächtig und leise. »Vielleicht hat sie ihn beschissen, vielleicht hat er sie beschissen. Keine Ahnung.«
»Und Alex? Sagt er gar nichts dazu?«
»›Lass mich bloß ihn Ruhe damit‹«, erwiderte Jennifer prompt. »Das waren seine Worte. ›Lass mich bloß ihn Ruhe damit!‹ Er ist ziemlich unausgeglichen, seit er ihr über den Weg gelaufen ist.«
»Denkst du, er mag sie noch?«
»Er ist so anders. Irgendwie abweisend«, sagte sie. »Er zieht sich zurück.«
»Scheiße, Jenny. Dann mag er sie noch.«
»Du bist wirklich eine Superfreundin, Zoe. Danke für die Unterstützung.«
»Willst du nun meine Meinung oder einfach nur Bestätigung, egal was du sagst?«, konterte die.
Jennifer seufzte. »Ja, stimmt, du hast ja recht. Ist alles ziemlich doof gelaufen.«
Faye merkte, wie angespannt sie dasaß, und lauschte. Noch immer ergab die Geschichte keinen Sinn. Warum hatte Alex seiner Freundin erzählt, dass er Faye schon vor vier Jahren kennengelernt hatte? Warum musste er andauernd lügen? Hatte es etwas mit seiner Graphic Novel zu tun? Schließlich ging es in Lügenlieder darum, dass die Menschen sich fortwährend Lügen erzählten, weil es in ihrer Natur lag. Keine Beziehung kam ganz ohne Lügen aus, aber dies hier war anders, da musste sie Jennifer Towles leider recht geben. Etwas stimmte mit Alex Hobdon nicht.
»Und was wirst du jetzt tun?«
Faye beruhigte sich und lauschte.
»Ich weiß es einfach nicht«, sagte Jennifer. »Wenn diese Ziege noch mal auftaucht, dann werde ich kämpfen.«
Ich bin keine Ziege, dachte Faye, und von mir aus kannst du Alex Hobdon behalten! Mit meinem Interesse an diesen seltsamen Spielchen ist es vorbei.
Zoe sagte: »Komm, wir gehen wieder hoch. Vielleicht ist er ja schon da.«
»Okay.«
Faye hörte, wie sie die Toilettenräume auf hohen Absätzen teurer Schuhe verließen. Dann war es still. Wie aus weiter Ferne wummerte der Beat durch die Decke, kroch durch die Rohre und das Mauerwerk. Faye wartete noch einen Augenblick, dann öffnete sie die Tür, ging rüber zu den Spiegeln und tat, was Jennifer und Zoe auch getan hatten: Sie frischte ihr Make-up ein wenig auf. Sie sah ihrem Spiegelbild in die Augen und wusste selbst nicht so recht, was sie darin zu finden suchte.
Geh tanzen, sagte sie sich. Denk nicht so viel nach.
Ja, vermutlich wäre das die allerbeste Lösung. Noch zwei bis drei Ramos Gin Fizz, und sie würde tanzen, wild und frei, im blauen, flackernden Licht der Septembernacht, die selbst hier unten im Club so gleißend hell wie die offene See war.
So ging sie nach draußen, beschwingt und zu allem bereit. Dass sie vor der Garderobe mit Alex Hobdon zusammenstoßen würde, wäre ihr niemals in den Sinn gekommen. Dass der Schlag ihres verwirrten Herzens schneller als 130 bpm sein würde, schon eher.
Faye Archer erstarrte. Die Welt drehte sich nicht mehr, es war, als hielte das Universum den Atem an. Nur ihr Herz klopfte, Tremolo, orange und gelb und so knallrot mit weißen Punkten, wie selten zuvor. Sie atmete noch, ja, klar, natürlich! Sie konnte ihn sehen; es war also kein Traum. Alex Hobdon. Er stand vor ihr, einfach so. Sie taumelte, weil sie geradewegs in ihn hineingerannt war. Wie in einem Film, Slapstick, Vaudeville, da war es wieder! Und was tat er? Er fasste sie an den Schultern, er berührte sie, als habe er nur darauf gewartet, das tun zu können. Nein, Blödsinn, er hinderte sie daran, einfach so umzufallen.
»Was
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