Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)
mal gefragt, wen ich meine.«
Okay. Super. »Aaron Lescoe.«
»Hast du eine Ahnung, wer er ist?«
Faye rollte die Augen. »Nein.«
»Du hättest ihn googeln können.«
»Warum hätte ich das tun sollen?«
»Neugierde?«
Eins zu null für Dana Carter.
»Hat mich bei Alex auch nicht weitergebracht.«
»Ach ja, Alex Hobdon. Hat er noch mal von sich hören lassen?«
»Er ist zweimal im Buchladen aufgetaucht.«
»Oha, hat das etwas zu bedeuten?«
»Nein.«
»Das war aber ein sehr schnelles Nein.«
»Ein ehrliches Nein.«
»Also dann: zurück zu Aaron Lescoe …«
»Es gibt kein ›zurück zu Aaron Lescoe‹«, äffte sie Dana nach.
»Komm, sei ehrlich! Ist er heiß?«
Faye seufzte. »Ja, vermutlich.«
Dana lachte laut auf. »Vermutlich?«
Nach einem kurzen Zögern erwiderte Faye: »Ja.«
»Vielleicht kommt er zu deinem Konzert.«
»Warum sollte er das tun? Ich kenne ihn nicht, und außer der Taxifahrt war da nichts.« Faye schaute auf die Uhr. »Dana, muss ich betonen, dass ich mich auf dem Weg zu meinem eigenen Konzert befinde?«
»Du weichst mir aus.«
»Tu ich nicht.«
»Die fangen nicht ohne dich an.«
»Dana!«
»Tut mir leid. Aber vielleicht kommt der Neue tatsächlich vorbei.«
»Vielleicht.«
»Wenn er das tut, dann darfst du eins nicht vergessen.«
Oh, Mann! »Was denn?«
Verschwörerisch sagte Dana: »Lass es rocken, Darling.«
Damit legte sie auf.
Faye atmete langsam aus, dachte an den Neuen, musste grinsen.
Aaron Lescoe. Alex Hobdon. Ian Hedges. Tom Daniels … Es ging immer so weiter.
Das Leben konnte schon verrückt sein.
Der Taxifahrer war glücklicherweise ein schweigsamer Mensch. Faye war nicht nach Small Talk zumute. Sie saß auf dem Rücksitz, den Rucksack neben sich, den Blick auf die Stadt gerichtet. Brooklyn im Regen war immer noch schön, sah auch jetzt noch nach Heimat aus. Im Radio lief irgendwas von Aaron Copeland. Fehlte nur noch, dass der Taxifahrer ein Buch von Thomas Wolfe las, irgendeine zerfledderte Taschenbuchausgabe.
Faye lehnte sich zurück und genoss die Fahrt. Die Menschen draußen gingen gebeugt, weil der Regen wirklich garstig war. Die Wolken, dick und grau und schwer wie ein Blues, drückten dumpf auf die Stadt, doch dabei hatte Faye das unbestimmte Gefühl, dass jede Art von Bossa nova, Tango oder Walzer den Sommer würde zurückbringen können, zumindest für jene, die der Musik lauschten.
Und genau das würde sie gleich tun. Sie würde den Leuten den Sommer ins Gedächtnis bringen und die Wolken vertreiben. War das nicht der Grund, weshalb Menschen Musik mochten?
Keine halbe Stunde später war sie am Schauplatz des Konzerts: Williamsburg, Hafengegend. Alles ziemlich abgerissen. Mauern. Pfützen. Gebäude mit Fenstern, die einen anstarrten wie hungrige Kinder. Wo man auch hinsah, knatschbunte, wild gebliebene Graffiti. Parkplätze. Die Cushion Factory. Ein riesiges Gebäude. Tafeln mit Plakaten. Das Programm der nächsten vier Monate. Jeden Abend eine andere Band. Folk, Jazz, Hip-Hop, Elektro. In Gegenden wie diesen gab es keine Grenzen, nur Möglichkeiten.
»Da isses«, sagte der Taxifahrer.
Faye zahlte. »Danke.« Sie sprang aus dem Taxi und balancierte zwischen den Pfützen in Richtung Eingang.
»Scheißwetter«, begrüßte sie Jermaine Lamond oder, wie Faye ihn heimlich nannte, J. Nr. 1.
Faye lächelte ihn an. »Ich bring dir die Sonne.« Sie stellte fest, dass sie schon zu Holly Go! geworden war.
Jermaine Lamond war ein Rock ’n’ Roller der ersten Stunde, groß wie ein Bär, Ende fünfzig, mit Bart und Boots, Jeans und Flanellhemd. »Kleines«, sagte er mit seiner Bassstimme, »du siehst wirklich schwer nach Stummfilm aus.« Er starrte ihr auf die Beine. »Die weiße Strumpfhose is’n bisschen schräg, aber …«
Faye umarmte ihn. »Ich bin ein Gesamtkunstwerk, das weißt du doch.«
»Sieht auch künstlerisch aus.«
Das nächste Mal, dachte Faye, verkleide ich mich extra für dich als Dolly Parton. Sie lächelte gütig. Männer!
»Komm, drinnen gibt’s Kaffee.«
Sie folgte ihm.
John Babel, Rock ’n’ Roll-Typ und J. Nr. 2, ebenfalls bärtig, langhaarig mit Zopf und roten Cowboystiefeln, dazu langjähriger Geschäftspartner von J. Nr. 1 und Mitbesitzer der Cushion Factory , kam ihr mit einem Kaffee entgegen. »Baby, der Schuppen gehört ganz dir!«
Die beiden, J & J, führten sie zur Künstlergarderobe. Dann ging alles sehr schnell, wie immer: Nachschminken, den Rucksack einschließen, durchatmen, einen kurzen Blick
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