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Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Titel: Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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ausgesehen hatte und außerordentlich nett gewesen war, verbesserte sich Faye. Warum also sollte sie sich jetzt noch Gedanken über irgendeinen verlogenen Comiczeichner machen, mit dem sie kaum mehr verband als ein paar lose ausgetauschte Mails in der Nacht?
    Don’t look at the past, remember the future.
    Faye hatte beschlossen, nicht weiter darüber nachzudenken. Noch während der Arbeit im Real Books waren ihr die ersten bruchstückhaften Zeilen des Refrains eines ganz neuen Songs eingefallen. Da sollte noch ein einziger Musikrezensent kommen und behaupten, dass unglücklich verlaufende Beziehungen oder Anfänge von etwas , die sich als Enden von etwas entpuppten, nicht gut für die Kreativität von Künstlern waren!
    Don’t look at the past, remember the future.
    Wie immer vor einem Konzert vereinnahmte auch an diesem Samstag das schreckliche Problem der Kleiderwahl den halben Tag. Sie hatte lange geschlafen, den ganzen Vormittag im Pyjama im Bett verbracht, war in Gedanken die Setlist durchgegangen und hatte sich überlegt, was sie alles zwischendurch erzählen würde. Am Klavier hatte sie einige der Songs noch einmal gespielt, das eine oder andere ausprobiert, dazu keinen Kaffee getrunken, dafür aber jede Menge Tee.
    Draußen steckte die Sonne die Nase nur sehr kurz zwischen den Wolken hindurch; das Wetter hatte beschlossen, richtig mies zu sein in diesen Tagen. Faye hatte emsig den Kleiderschrank durchforstet und sich nicht entscheiden können, welches Kleid sie tragen sollte. Okay, auf den Plakaten trug sie ein schwarzes Kleid, eng geschnitten, Sixties-Style. Holly Go! eben. Doch irgendwie war ihr heute nach Punkten, ja, nach großen bunten Punkten zumute. Sie fand ein Kleid, das voller Punkte war, aber am Ende erschien es ihr nicht passend für ein Konzert, das Silent Movie Moments hieß. Außerdem wusste sie schon, wie die Beleuchtung sein würde. Nein, bunte Punkte passten nicht. Basta! Am Ende entschied sie sich für ein schwarz-weißes Etuikleid im Stil der Sechziger, dazu schwarze Creolen, groß und filigran, plus weiße Strumpfhose – die frische Laufmasche dezent aufgehalten mit farblosem Nagellack, denn Ersatz war auf die Schnelle nicht zur Hand –, dazu schwarze High Heels, die eleganten, mit den Schnallen. In den Rucksack stopfte sie das andere Kleid mit den Punkten, eine lila Strumpfhose und karierte Chucks für nach dem Konzert. Mit einem Blick auf das Wetter entschied sie sich, ein Taxi zu nehmen und fertig zurechtgemacht das Haus zu verlassen, in einem Trenchcoat, der fast genau so aussah wie der Trenchcoat, den Audrey Hepburn am Ende des Films getragen hatte, in der Szene, in der sie den blöden Kater im Regen wiederfand.
    There is September on your tongue.
    Sie summte die Melodie vor sich hin, während sie sich zu schminken begann.
    Eine kleine Ewigkeit später klingelte schrill das Telefon, als sie gerade durch die Wohnung rauschte. Sie flitzte hinüber ins Schlafzimmer, zum Koffer mit dem alten schwarzen Wählscheibenungetüm. »Faye Archer ist nicht da«, keuchte sie ein wenig außer Atem in den Hörer.
    »Ich wollte dir Glück wünschen.«
    Dana!
    »Kommst du vorbei?«, wollte Faye sofort wissen. Dana hatte bisher erst eines ihrer Konzerte besucht. Es wäre toll, mit ihr nach dem Konzert durch die Clubs von Williamsburg ziehen zu können. Sie wäre dann wieder Faye Archer und nicht mehr Holly Go! – ein Zustand, nach dem sie sich immer sehnte, sobald sie eine Weile Holly Go! gewesen war.
    »Geht leider nicht. Ich habe eine Verabredung.«
    »Du kannst deinen George mitbringen«, schlug Faye vor. Bei der Gelegenheit würde sie ihn auch gleich kennenlernen. Es war stets ein Erlebnis, Danas neuen George kennenzulernen, und man musste sich damit immer beeilen, da er meist kurze Zeit später schon von einem noch neueren George abgelöst wurde.
    »Sie bleiben nie wirklich lange«, hatte Dana einmal gesagt. »Ist wie beim Produktlebenszyklus.«
    Faye hatte nur ahnen können, was sie damit meinte.
    »Nein, Darling, wir bleiben lieber unter uns«, sagte Dana jetzt.
    Unter uns? Faye beneidete sie um diesen Satz. »Echt?«
    »Er ist so was von heiß.«
    Faye musste grinsen. Alle Bekanntschaften Danas waren heiß. »Na, dann … genieße den Abend.«
    »Hey, vielleicht kommt ja dein Neuer in der Factory vorbei.« Dana war nicht immer geschickt darin einzulenken.
    »Er ist nicht mein Neuer.«
    Dana lachte.
    »Was ist so komisch daran?«
    »Falsche Antwort, Darling.« Sie kicherte. »Du hast nicht

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