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Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Titel: Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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wenn man ein Klavier transportiert. Sie wissen schon, nicht nur von einem Raum in den nächsten, sondern so richtig.« Im Hintergrund begann ein Film von Stan Laurel und Oliver Hardy zu laufen: Der zermürbende Klaviertransport. »So hört es sich an.« Sie klimperte die Melodie, die zu dem Film passte. Sie spielte »Flying Days«. Danach, als Harold Lloyd über die Wände flimmerte, folgten weitere Stücke. Ja, es funktionierte. Weitere Filmszenen tanzten über die Wand hinter ihr. Die kleinen Strolche, Cary Grant, George Sanders, Errol Flynn – dazu sang sie belustigt »Vinyl, Sex and Videotapes«, inklusive einer Passage, in der sie nur stöhnte, was reinster Comic war und, das sei angemerkt, sehr gut ankam, vor allem bei den Männern im Publikum. Es folgte »Winter in my Heart« zu Ausschnitten aus Ein Herz und eine Krone . Seltsamerweise fiel Faye jetzt erst auf, dass Gregory Peck andauernd mit dem Motorroller durch Rom fuhr, Audrey Hepburn hinter sich, mit kurzen Haaren und flottem Kopftuch. Ohne, dass ihr wirklich der Kopf danach stand, musste sie plötzlich an Alex denken. Mist! Als sie J & J die Filmausschnitte gemailt hatte, war ihr nicht bewusst gewesen, dass der Zusammenschnitt aus Szenen dieses Films überwiegend aus Motorroller-Szenen bestand.
    Doch wie dem auch sein mochte, anmerken ließ sie sich natürlich nichts. Sie erzählte weiter Geschichten, manche davon hatten mit Seeleuten zu tun, andere nicht. Schließlich, am Ende des Konzerts, spielte sie zu Szenenbildern aus Frühstück bei Tiffany und Blue in the Face das Lied ihres Zuhauses: »Brooklyn Waltz«. Sie pfiff den Anfang, klopfte den Takt auf dem Bösendorfer, und dann erst begann sie zu spielen und zu singen.
    Als sie fertig war, stand sie auf, ging nach vorn an den Rand der Bühne, faltete die Hände, ganz brav, und verneigte sich vor dem Publikum, nahm mit Erleichterung den Applaus entgegen. Das Licht im Zuschauerbereich, das bisher gedämpft gewesen war, wurde heller. Endlich konnte sie das Publikum richtig sehen. Sie blinzelte und suchte wieder nach Gesichtern, die sie kannte. Mica, Cricket und T. C. klatschten und winkten ihr. Sie lächelte breit zurück und fühlte sich so gut wie lange nicht mehr. Ja, genau, das war jedes Mal der Augenblick, in dem sie glücklich darüber war, dass das Konzert vorbei war und dass alles gut geklappt hatte.
    Sie lachte. Vermutlich sieht man mir die Erleichterung an, dachte sie.
    Da sah sie Alex Hobdon.
    WHOOSH!
    Sie hoffte, dass ihr Lächeln nicht erstarb. Nein, dummes Zeug, das tat es natürlich nicht! Er jedenfalls lächelte ihr zu, irgendwie unsicher. Er hatte an einem der hinteren Tische gesessen. Faye sah ihn nur an, und dann schaute sie weg, suchte die vielen Blicke all der anderen Menschen, die nicht Alex Hobdon waren. Aus dem Augenwinkel heraus jedoch erkannte sie, dass er nicht in Begleitung von Jennifer Towles da war. Dafür stand der bärtige Mann hinter ihm; der aus dem Sansara Club. Er sah auch jetzt nett aus, wie der gute Freund in einer Sitcom der Fünfziger.
    Faye seufzte. Aber nur innerlich.
    Die Leute verlangten eine Zugabe, und so kehrte sie ans Klavier zurück.
    »Da ihr jetzt alle nach Hause geht«, sagte sie, »spiele ich noch ein Lied übers Nachhausegehen.« Sie lachte und konzentrierte sich, versuchte, Alex Hobdon aus ihrem Bewusstsein auszublenden. »Es heißt ›Walking backwards‹. Und es geht so.« Sie begann zu spielen und dachte daran, dass sie nie mehr nach Hause zurückkehren würde, nie wieder, nein, nie wieder. Sie widerstand dem Drang, Alex anzusehen und zu ergründen, wie sein Gesicht jetzt aussah, da er diese Zeilen hörte. Es war egal. Jeder dachte an irgendwas, was er vermisste. Das Lied brachte ihr die Entschlossenheit zurück, jene Energie, die sie bis nach Brooklyn hatte reisen lassen. Auch Alex Hobdon gegenüber würde sie konsequent bleiben. Alles nur verletztes Ego, mehr nicht.
    »Es gibt nichts Schlimmeres«, hatte Mica ihr einmal gepredigt, »als ein verletztes Ego.«
    Sie spielte. Ihre Finger fanden mühelos die Melodie, und alles, was Faye Archer war, versank in diesem letzten Lied. Holly Go! gab noch einmal alles. Das Lied fand seinen Weg in die Herzen der Zuhörer, das konnte man sehen; jeder dachte an das, was ihn selbst rückwärts gehen ließ, von Zeit zu Zeit, zu oft, in den Momenten, in denen man nicht schlafen kann.
    PLING!
    Dann war es vorbei. Applaus, Dunkelheit, Licht.
    Sie kehrte in die Garderobe zurück, tauschte die High Heels gegen die

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