Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)
schloss ihn wieder.
Don’t look at the past, remember the future.
Wie in dem Lied. Wie in meinem Lied!
Faye gewann ihre Fassung zurück. »Aaron«, sagte sie und dachte: Wo, in aller Welt, kommt der jetzt auf einmal her? Er trat auf sie zu und bedachte Alex mit einem eindeutigen Blick. Egal, dachte sie, und auf einmal war sie überglücklich, ihn zu sehen. Er war hier, und das war ihr Ticket raus aus dieser Situation. Er hatte auf sie gewartet, er war zu ihrem Konzert gekommen, und das, obwohl sie ihn gar nicht kannte und er sie auch nicht. Sie hatte ihn vorhin nicht gesehen, aber jetzt war er hier.
Er war zu ihr gekommen.
»Aaron«, sagte sie noch mal, ging zu ihm hin, so schnell, als habe sie ihn tatsächlich erwartet, und dann umarmte sie ihn, so, als würde sie ihn verdammt gut kennen. Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange, freundschaftlich, vertraut. »Hallo!« Sie sah ihm in die Augen. Er berührte sanft ihren Hals, als habe er die Geste viele Male vorher eingeübt.
»Du hast doch nicht etwa geglaubt«, sagte er, »ich lasse jemanden wie dich entwischen?« Sein Lächeln war aufrichtig und direkt.
Faye seufzte innerlich, so leise, dass es niemand bemerkte. Natürlich entging ihr nicht, wie Alex reagierte. Aber in manchen Momenten musste man sich nun mal entscheiden, und Faye Archer hatte genau das gerade getan. Sie warf Alex einen letzten Blick zu, herausfordernd, vielleicht ein wenig zweifelnd. »Lass uns gehen«, sagte sie. Don’t look at the past, remember the future.
Aaron Lescoe legte den Arm um ihre Schulter, und es tat so gut, ihn genau dort zu wissen. Dann ließ sie sich von ihm fortführen, weit weg von allem, worauf sie, da war sie sich sicher, nie mehr zurückschauen würde.
12
WOOSH!
Ein Augenzwinkern, mehr hatte es nicht gebraucht. Und dann? Dann war auf einmal alles, aber auch wirklich alles, ganz anders, als sie es sich jemals erträumt hätte. Teufel noch mal, wie hätte sie es sich auch denken können, dass ihr Karma so kopflos und planlos und stürmisch war? Aber es gibt nun einmal Nächte, die einen glauben machen, Hals über Kopf in das glückliche Ende einer komplizierten Geschichte getaumelt zu sein. Diese Nacht war wohl so eine.
»Und was passiert jetzt?« War es nicht immer die gleiche Frage? Gab es nicht immer die gleiche Antwort darauf?
»Alles.« Das jedenfalls hatte Faye geantwortet. Und nicht mehr zurückgeschaut. Alles, alles, alles!
Verrückt!
Remember the future.
So was von verrückt, ja, hemmungslos irre und verdreht. Natürlich wusste Faye das, na klar, sie war weder naiv noch dumm, aber ebenso sehr war sie sich dessen bewusst, dass Nächte wie diese selten waren. Ja, ihre Nacht war genau so eine Nacht, und sie war mitten drin.
»Alles.«
Nichts läuft so, wie man es sich erträumt hat, und dann, auf einmal, passieren einem ganz andere Dinge, solche, die man nie in Erwägung gezogen hat, und schon driftet man an der nächsten Gabelung in eine völlig neue Richtung, von deren Existenz man bisher nicht einmal etwas geahnt hatte. Es ist ganz einfach, man lässt es einfach geschehen und fühlt sich gut dabei. Ja, so bunt, so herzkreischend gut gelaunt, lebendig und erfüllt, wie man sich lange nicht mehr gefühlt hat. Eben noch hatte sie an Alex Hobdon denken müssen, eben noch hatte sie ihm Auge in Auge gegenübergestanden, eben noch hatte sie sich gefragt, ob ihr Verhalten richtig oder falsch gewesen war, und dann, plötzlich, WOOSH! , hatte ein anderer Mann sie bei der Hand genommen, um sie in eine andere Welt zu ziehen.
»Hey, Holly«, das sagte er, bevor er sie küsste. Doch es war nicht der Name, bei dem er sie nannte, nein, es war seine Stimme, die sie um den Verstand brachte. Er sagte diese beiden Worte so eindringlich, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt als diesen Namen. Als sei dieser Name ein ganzes Universum.
Sie hatten die Factory schon seit ein paar Stunden hinter sich gelassen, waren durch die Clubs von Williamsburg gezogen, hatten geredet und getrunken, um sie herum Musik und Kunst, überall. Faye hatte in den wenigen Stunden eine ganze Reihe neuer Leute kennengelernt. Bekannte, Freunde von Aaron, die sie alle neugierig betrachteten und sich wohl fragten, woher sie kam, wer sie war, das Übliche eben. Gespräche, Lachen, Lichter. Alle Wege führten in dieser Nacht zu dieser einen Ampel, die rot war, an einer Kreuzung. Ein altes Ding, krumm und hässlich wie ein knorriger Baum, Schatten werfend wie etwas Lebendiges. Die Gabelung des
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