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Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Titel: Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Weges.
    »Two roads diverged into the woods. And I?«
    Faye fragte sich, wo genau Walt Whitman gewohnt hatte. Irgendwo, wie sie selbst, in Brooklyn Heights, glaubte sie. Doch sicher war sie sich nicht. – Sie sollte Mica Sagong fragen, der wüsste Bescheid, jede Wette.
    »I took the one less travelled by.«
    Die Ampel.
    Rot leuchtend.
    Stopp!
    Bis zu der Ampel waren sie nebeneinander her gegangen, sittsam, aufreizend verlegen, hier und da ein paar flüchtige Berührungen, wie dahingehaucht, die sie genossen hatte, heimlich, verstohlen, ja, schon, aber noch keine wirkliche richtige Umarmung, nur Blicke, nette Worte und die Aussicht auf etwas, was unsichtbar zwischen ihnen schwebte. Dann waren sie an der Kreuzung, die Ampel auf Rot, sie standen da, die Straße war so gut wie leer, die Nachtluft kühl.
    Sie spürte seine Hand, die ihre ergriff. »Hey, Holly.«
    Faye schloss die Augen. Und taumelte, aus freiem Willen, in all die fremden Richtungen, die sie vorher nie gesehen hatte, am allerwenigsten jedoch an jenem Abend im Sansara Club.
    Am nächsten Morgen, als sie die Augen aufschlug, kamen ihr dieser Abend und ganz speziell dieser eine Moment an der Kreuzung mit der Ampel vor wie Szenen in einem Film. Sie konnte sich sogar die Musik dazu denken, eine leise Melodie, wie in den Komödien der späten Achtziger, Synthesizer-Sound, genau so, irgendwie entrückt.
    Meine Güte, dachte sie. Der ganze Abend war eine einzige Abfolge von seltsamen altmodischen Szenenbildern gewesen. Eine Filmmontage, schwerelos tänzelnd und begleitet von glucksendem Lachen und später, natürlich erst nach der roten Ampel, von vielen heißen Küssen. – All das die Folgen einer einzigen Berührung, die so unverhofft gekommen war wie ein Stromschlag.
    »Hey, Holly.«
    Dort, im Licht der roten Ampel, an der Ecke Bedford Avenue und 9 th Street berührte Aaron Lescoe sie zärtlich am Hals. Er schaute ihr fest in die Augen und flüsterte sanft: »Hey, Holly.« Er sagte das, als lägen Epen in diesen beiden Worten verborgen. Es war ein wirklich verwegener Moment. Aaron klang so zärtlich und doch so bestimmt. »Holly Go!«, fügte er hinzu. Er küsste sie, und Faye erwiderte den Kuss, lange, tief und immer, immer wieder. Ja, sie konnte gar nicht mehr damit aufhören, als sie erst einmal begonnen hatte.
    »Hey«, sagte sie, als sie den Kuss lösten. »Du bist nicht zufällig Seemann?«
    Er lächelte. »Nein, bin ich nicht.« Dann küsste er sie noch einmal.
    Und sie ihn.
    Ein Augenzwinkern, ja, mehr hatte es wirklich nicht gebraucht. Eben noch war Aaron Lescoe überhaupt noch nicht da gewesen, nicht in ihrem Leben, nicht in ihrem Universum, nirgendwo, und jetzt war er hier, einfach so, Bingo! , und sie schmeckte ihn mit richtigem Herzklopfen und weichen Knien.
    »Du bist ganz wunderbar«, sagte er, als sei dies wissenschaftlich untermauert. »Aber das hörst du vermutlich andauernd.«
    »Nicht so oft, wie ich es gern hätte«, scherzte sie. Sie war beschwipst, ein wenig.
    »Du bist es.«
    »Wir kennen uns doch kaum.« Sie genoss es, sich an ihn zu schmiegen.
    »Und?« Er küsste sie noch mal.
    »Wir kennen uns doch überhaupt nicht .«
    »Ich habe dich auf der Tanzfläche im Sansara Club gesehen. Das war schon DER Moment für mich. Der beste des Abends, dachte ich. Dann bist du zu mir ins Taxi gesprungen. So was passiert normalerweise nur im Kino.«
    Sie lächelte mädchenhaft. »Meinst du?«
    »Du warst auf einmal da.« Er küsste ihre Stirn, ihre Nasenspitze. »Holly.«
    »Faye«, korrigierte sie ihn.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Für mich bist du Holly.« Er berührte sanft ihre Nasenspitze mit dem Zeigefinger. »Das wirst du immer sein.« Der Wind wehte die Blätter über die Straße. »Holly Go!«
    Ich bin nicht Holly, dachte Faye, schwieg aber. Holly war ein Teil von ihr, aber nicht exakt sie selbst. Holly war jemand anders. Holly war diejenige, die es genoss, auf der Bühne zu stehen; Holly war diejenige, die singen wollte, die es sich nicht nehmen ließ, mit dem Publikum zu flirten. Das alles war Holly und vermutlich noch ein wenig mehr. Faye Archer indes war nicht ganz so viel. Doch die Gewissheit, für jemanden ganz und gar Holly zu sein, war ein Gefühl, nach dem sie sich sehr lange gesehnt hatte. Sie war für kurze Zeit Holly für Alex gewesen. Egal. Sie war jetzt Holly für Aaron.
    Genau daran dachte sie, als sie am nächsten Morgen die Augen aufschlug; an die Küsse und an diese sanfte Berührung, ja, diese einzigartige

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