Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)
Berührung seiner Hand an ihrem Hals, denn das war ihrer beider Anfang gewesen. Sie hatte den Kopf ein wenig zur Seite geneigt und den Halt gespürt, den die Hand ihr gab, fest und bestimmt und zugleich so sanft wie nichts in den letzten Monaten. Die andere Hand hatte ihre Schulter berührt. Hätte sie sich fallen lassen, dann hätten diese Hände sie festgehalten, bevor sie sich wehgetan hätte, das hatte sie gespürt.
»Aaron?«
Er schlief tief und fest.
»Ich muss los.«
Nichts geschah.
Sie lächelte. Wann war sie das letzte Mal neben einem nackten Mann wach geworden?
Bei Tageslicht kam ihr die Studiowohnung noch größer vor als in der Nacht.
»Du hast mir gutgetan«, flüsterte sie und meinte ganz viele Dinge damit.
Er hatte ihr so was von verdammt gutgetan, und jetzt wünschte sie sich, all die Augenblicke mit ihm noch einmal erleben zu können. Nach all den seltsamen Gedanken und Mails und Verwicklungen war auf einmal alles ganz einfach geworden. Und einfache Dinge taten so gut. Sie waren eindeutig. Aaron Lescoe war da, und er war keinen Moment zu spät oder zu früh aufgetaucht. Nach der roten Ampel waren sie ziemlich schnell in seiner Studiowohnung in der Rodney Street gelandet.
Jetzt lag sie neben ihm und berührte seinen nackten Körper.
Aaron Lescoe. Sechsunddreißig. Ihm gehörte die Klynite Gallery. Er liebte moderne Kunst und war wirklich nett und sah überdies noch unverschämt gut aus. Ihm beim Schlafen zuzusehen war besser als allein Billie Holiday zu hören, so viel war mal klar.
»Das war ja was«, sagte sie leise zu sich selbst. »Das war ja was«, sagte sie zu Aaron.
Wann hatte sie zuletzt Sex gehabt? Monate war das her. So richtig, jedenfalls (das war eine typische Dana-Carter-Formulierung). Dann gab sie ein Konzert, und gleich danach ließ sie sich an einer roten Ampel mehrmals küssen und verzaubern und abschleppen. Sie mochte dieses altmodische Wort, »abschleppen«, es klang irgendwie abenteuerlich. Von jemandem, zu dem sie ein paar Tage zuvor ins Taxi geschlüpft war.
Und das bedeutete? Dass sie endlich irgendwo angekommen war?
Sie ließ den Blick durch das Studio wandern. Alles hier war sauber, symmetrisch und modern. Die Möbel hatten seltsame Formen, an den meisten Wänden gab es Graffiti, an manchen hingen Bilder und Zeugs aus Metall mit Elektrokabeln und Rahmen. Die Wohnung war, das musste sie sich eingestehen, ein wenig wie der unglaubliche Mann, der neben ihr lag: irgendwie zu perfekt, um wahr zu sein. So neu , so modern , so schick!
Na und?
Aaron Lescoe war derjenige, auf den sie gewartet hatte. Punkt! Der Mann der Stunde. Er gab ihr das Gefühl, begehrenswert zu sein. Als sie neben ihm im Taxi gesessen hatte, da hatte er ihre Beine taxiert, lange, auskostend, neugierig, was ihr natürlich nicht entgangen war. Und auch gestern, nach dem Konzert, hatte er auf ihre Beine gestarrt. Vermutlich auch während des Konzerts. Dorthin und auf ihre Brüste. Okay, auch Alex Hobdon hatte ihre Beine beachtet, klar, aber Alex war in allem ein wenig diskreter, könnte man sagen, und sofern er sie denn begehrte, hatte er das nicht ganz so offensichtlich zu verstehen gegeben, wie Aaron es getan hatte. Die Art, wie Aaron die Sache angegangen war, hatte ihr eindeutig besser gefallen. Gestern …
Er nannte sie Holly, und zweimal, nach dem Sex, hatte er sie »Piano « genannt. Das gefiel ihr. Es klang cool, wenn er es sagte, und deswegen mochte sie es. Niemand zuvor hatte jemals »Piano « zu ihr gesagt. Darüber hinaus erinnerte es sie an Nicolas Cage, der Laura Dern in Wild at Heart andauernd »Peanut« nannte. Ähnlich bescheuert, aber sooo cool . Ja, Aaron war cool. So würde sie ihn Dana schildern. Alex Hobdon war nicht cool. Alex war … Ach, sie hatte keine Ahnung, wie Alex war. Es war egal, wie Alex war! Alex war Alex, mehr fiel ihr dazu jetzt nicht ein.
Sie berührte Aaron, um sich zu vergewissern, dass er noch da war.
»Du bist einzigartig«, hatte er ihr gesagt.
Faye hatte nur gelächelt. Sie hatte keine Ahnung, zu wie vielen Frauen er das regelmäßig sagte. Vielleicht waren es viele, womöglich aber auch nicht. »Jeder ist einzigartig«, hatte sie erwidert und sich zugleich gefreut, dass er es ihr genau so gesagt hatte.
»Was magst du an mir?«
»Deine Stimme.« Er hatte ihren nackten Körper betrachtet, ganz unverhohlen.
»Und sonst?«
»Das Kleid, das du getragen hast.«
»Und?«
»Deine Stimme.«
»Ist das alles?«
»Oh, nein.«
In etwa so war es den
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