Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)
wie Aaron sie erzählt hatte. Blieb die Frage, warum er sie ihr so erzählt hatte. Sie grübelte ein wenig, und Aaron schwieg die ganze Zeit über.
»Kann es sein«, flüsterte sie irgendwann, »dass du eifersüchtig bist?«
»Blödsinn«, sagte er. »Du bist im Sansara Club vor ihm davongelaufen.«
»Nicht davongelaufen «, korrigierte sie ihn.
»Es sah aber so aus.«
Okay, okay! »Er wurde lästig.« Oh, das klang nicht nett. Sie berührte zärtlich Aarons rechte Augenbraue. Er lässt sie sich zupfen, dachte sie und fuhr mit dem Finger die geschwungene Linie nach. »Aaron, ich bin nicht wie der Skorpion«, sagte sie leise. »Okay? Ich bin nicht so.«
Er nickte. »Sag mir Bescheid, wenn er wieder lästig wird.«
»Er ist nicht wichtig.«
Es folgte eine sehr lange Stille.
»War da was zwischen euch?«
»Nein.«
»Sicher?«
»Es war vorbei, bevor es angefangen hat.« Sie wollte nicht über Alex reden. Eigentlich wollte sie über gar nichts reden; nur über belanglose Dinge. Über ihre Lieder, ja, das Thema war okay, über die Bilder, diese Ausgeburten moderner Kunst, die überall an den Wänden in der Studiowohnung hingen, ja, auch über die komischen Möbel; vielleicht noch über die Künstlerszene drüben in Brooklyn und hier in Williamsburg. So was eben.
Aaron Lescoe war ganz anders als Alex Hobdon; mal abgesehen von der Tatsache, dass er sie nicht belog, wovon sie erst einmal ausging, denn irgendwo musste es ja noch ehrliche Männer geben. Mit Alex zu reden – oder vielmehr: sich mit ihm in den Mails auszutauschen – war nie wirklich ein Problem gewesen. Aaron indes schien eher ein Mann der Tat zu sein. Genau das war er. Er war so entschlossen gewesen, so begierig. Er hatte den ersten Schritt getan, als sie das Studio betreten hatten, die Tür war noch nicht mal hinter ihnen ins Schloss gefallen. Nur ein einziger aufreizender Blick war nötig gewesen, und schon hatte er sie dort gehabt, wo er sie haben wollte. Ja, er war ein Mann der Initiative. Alex war das nicht. Nicht so, jedenfalls.
Faye hatte die Haltestelle jetzt erreicht.
Es dauerte nicht lange, und der Bus kam. Eine halbe Stunde später war sie zurück in Brooklyn Heights, das sich über Nacht nicht so verändert hatte wie sie. Alles war noch, wie es gewesen war, nur die Art und Weise, wie Faye es sah, schien eine andere geworden zu sein. Ihre Wohnung mit der Kaffee-Pflanze auf dem Fensterbrett war nicht einmal annähernd so perfekt wie Aaron Lescoes Wohnung. Sie wuselte hinein, entledigte sich der Klamotten, duschte lange und heiß, zog sich etwas Frisches an, setzte sich ans Klavier, schaute die Tasten an und hatte das Gefühl, dass sie sich bisher nie wirklich Gedanken über Perfektion gemacht hatte.
»Perfektion«, erinnerte sie sich der Weisheit, »ist die Schwäche all jener, die nicht in sich zu sehen vermögen.« Typisch Shaolin!
Dana Carter wäre da anderer Meinung, ganz sicher. Faye konnte sich lebhaft vorstellen, dass Dana schier ausflippen würde, könnte sie Aarons Wohnung sehen. Bei ihr zu Hause sah es ähnlich aus. Steril, sauber, modern, einfach nur perfekt.
Effizient war das Wort, das Dana noch viel lieber benutzte. Alles in ihrem Leben war effizient und musste effizient sein, und die Dinge, die noch nicht effizient waren, mussten es eben werden.
Faye Archer indes fühlte sich gar nicht effizient. Sie hatte sich früher nie so gefühlt und tat es, ehrlich gesagt, bis heute nicht. Sie fühlte sich gut, ja, sie fühlte sich wirklich gut, was nicht zuletzt an der vergangenen Nacht lag und, da machte sie sich nichts vor, am Sex. Aber sie fühlte sich nicht erfüllt. Okay, das war ein wirklich gewichtiges Wort, aber es passte.
Die Sonnenstrahlen wärmten sie, als sie auf der Couch mit den Punkten Platz nahm, sich mit einer Wolldecke zudeckte, eine Tasse heißen Ingwertee in der Hand, die Beine angewinkelt, das Fenster geöffnet, ohne zu frieren.
»Es gibt viele schöne Momente«, hatte Mica Sagong ihr einmal gesagt, »man muss sie nur erkennen.«
»Hallo, du schöner Moment«, flüsterte Faye und lächelte versonnen vor sich hin.
Auf dem Boden, neben der Couch, stand der Laptop. Aber nein, sie würde ihn gar nicht erst hochfahren. Sie würde jetzt nicht nachschauen, ob sie eine Mail bekommen hatte.
»Faye Archer«, sagte sie laut, »du bist ganz schön durch den Wind.« Es half nichts, es laut zu sagen; aber es war auch nicht verkehrt, es zu tun. Es war, wie es war. Sie war durch den Wind!
Faye Archer beschloss, sich
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