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Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Titel: Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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»Ja, Holly, ich habe dich gegoogelt.«
    »Und gefunden«, seufzte sie genüsslich und rekelte sich.
    Er sah ihr dabei zu. »Ich musste dich einfach wiedersehen.«
    Das war ein Satz, den Faye schon viel zu oft in Büchern gelesen und in Filmen gehört hatte, nicht mitgezählt die Lieder, in denen eine Strophe oder der Refrain so begann, und natürlich Ian Hedges mal ganz beiseitegelassen. Ian, der ständig Sätze wie diesen von sich gegeben hatte, nachdem sich Faye von ihm getrennt hatte. Doch aus Aarons Mund hörte sich der Satz gut an. Nicht kitschig, sondern aufrichtig.
    »Hättest du auch nach mir gesucht?«, wollte er wissen, und seine dunklen Augen luden sie dazu ein, in ihnen zu versinken.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Vielleicht. Ja.« Das war der Teil von ihr, der die Deckung nicht gänzlich aufgeben wollte. Noch nicht. » Vermutlich , ja«, korrigierte sie sich, als sie sein enttäuschtes Gesicht sah, und küsste ihn auf den Mund, wie um ihm zu beweisen, dass sie das »Vermutlich « wie ein »Ja « meinte.
    Er grinste zufrieden. »Gut«, erwiderte er und ließ offen, was genau er damit meinte.
    Sie schmiegte sich an ihn. Fühlte seinen Atem. Genoss die Stille. Es tat gut, hier zu sein, einfach nur gut. Es war richtig, nichts zu hinterfragen. Es war ein Moment, der so war, wie er sein sollte.
    »Wer war der Kerl?«, fragte Aaron irgendwann.
    »Welcher von denen?« Na, klang das so, als könne sie sich vor Typen nicht retten?
    »Derjenige, der Ärger gemacht hat.«
    »Alex?«
    Bissig: »Wenn er so heißt.«
    »Alex ist nicht wichtig.« Es kam ihr komisch vor, das zu sagen. Irgendwie war es falsch. Aber sie sagte es trotzdem; und nur darauf kam es an, oder? »Denk nicht an ihn.«
    »Solange du nicht an ihn denkst.«
    Sie sah ihm in die Augen. »Tu ich nicht.«
    »Sagte der Skorpion zu dem Wolf.«
    »Was?«
    »Nur so eine Geschichte«, murmelte er.
    »Erzähl sie mir.«
    »Jetzt?«
    »Die Nacht gehört uns«, hauchte sie.
    Er lächelte. Sie konnte es im schummrigen Licht sehen.
    »Es ist eine ziemlich alte Geschichte«, begann er. »Vermutlich gibt es sie in vielen verschiedenen Versionen.«
    »Die meisten Geschichten«, murmelte Faye, »gibt es in vielen verschiedenen Versionen.« Mica hatte einmal betont, dass es immer nur darauf ankam, wie eine Geschichte erzählt wurde, und nicht darauf, was sie erzählte.
    Mist, Mist, Mist, und wieder musste sie an Alex denken, an Haben Sie von Holly gehört? und auch an …
    »Das hier ist die«, fuhr Aaron fort, »die ich kenne: Einmal brach ein Feuer aus, irgendwo im Dschungel. Alle Tiere, die dort lebten, waren auf der Flucht.« Er machte eine kleine Pause. »Auch der Skorpion.« Nachdenklich fügte er hinzu: »Die anderen Tiere, das muss man an der Stelle erwähnen, mochten den Skorpion nicht besonders.«
    »Kann mir vorstellen, warum.«
    »Er kam jedenfalls zu einem Fluss. Hinter ihm brannte der Wald. Am Ufer des Flusses stand ein großer Wolf, der sich gerade anschickte, zum anderen Ufer hinüberzuschwimmen. ›Hey, Wolf, kannst du mich auf deinem Rücken tragen?‹ Der Wolf schüttelte den Kopf. ›Vergiss es‹, sagte er. ›Warum?‹, fragte der Skorpion. Der Wolf sagte: ›Na, weil du ein Skorpion bist. Denkst du etwa, ich bin dumm? Du wirst mich stechen.‹ Der Skorpion schaute zurück und sah die Flammen, und dann bettelte er weiter und versprach, den Wolf nicht zu stechen.«
    Faye ahnte, wie die Geschichte enden würde. Trotzdem unterbrach sie Aaron nicht; er verstellte die Stimme so schön, wenn Wolf und Skorpion miteinander redeten.
    »›Okay‹, sagte der Wolf. ›Kletter auf meinen Rücken.‹ Der Skorpion tat wie geheißen, und so schwamm der Wolf mit ihm über den Fluss.« Hier machte Aaron eine weitere Pause. Er sah Faye lange an. »Kurz bevor die beiden das andere Ufer erreichten, spürte der Wolf auf einmal einen Stich im Rücken. ›Verräter‹, keuchte er, da er merkte, wie das Gift wirkte. ›Tut mir leid‹, sagte der Skorpion. ›Jetzt ertrinken wir beide‹, schimpfte der Wolf wütend. ›Warum hast du das getan?‹ Der Skorpion antwortete: ›Scheiße, Mann, das ist meine Natur!‹«
    Er drehte sich zur Seite und musterte Faye.
    »Armer Wolf«, sagte die.
    »Ja.«
    Stille.
    »Wir tun meist alle nur das, was unserer Natur entspricht«, sagte Aaron.
    »Ich weiß.« Irgendwie beschlich sie das Gefühl, als müsse sie die überaus tief greifende Metapher der Geschichte besser verstehen. Tat sie aber nicht. Sie verstand die Geschichte so,

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