Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
werden müssten, damit sie in aller Welt die frohe Botschaft von der Existenz einer neuen Religion verbreiten könnten. Aber wie sollte das in der Praxis vonstattengehen? Könnte man die Geräte vielleicht mit kleinen Rädern versehen, auf denen sie sich fortbewegen könnten wie Roboter?
Kalle glaubte nicht daran, dass die Mühlen imstande wären, sich selbstständig durch die Straßen der Stadt zu bewegen, und selbst wenn man sie mit geeigneten Programmen zur Glaubensverkündigung ausrüsten würde, würde das kaum jemanden überzeugen. Wer wollte schon einen Kasten anbeten, und sei er noch so fromm.
Lauri regte nun an, dass man, wenn man schon keine Räder unter den Mühlen befestigte, ihnen wenigstens Flügel verleihen könnte, so wie an Gleitflugzeugen, dann könnte man die Mühlen bei geeignetem Wetter von einem höher gelegenen Standort aus losschicken, damit sie die neue Botschaft verkündeten.
Kalle war davon nicht begeistert. Seiner Meinung nach würden fliegende Gebetsmühlen die Menschheit ebenso wenig von der neuen Religion überzeugen wie rollende. Man musste sich etwas Wirkungsvolleres einfallen lassen. Um eine eigene Bibel zu verfassen, reichte ihrer beider schriftstellerische Begabung und Erfahrung vermutlich nicht aus, aber eine seelenvolle und fromme Basis für die selbst entwickelte Religion sollten sie schon schaffen.
»Wir könnten Propheten werden, falls uns nichts Besseres einfällt«, plante Kalle.
17
Lauri und Kalle verbrachten ihre Tage damit, in ihren Zellen herumzuliegen. Die Zeit wurde ihnen lang, und die täglichen Verhöre waren nicht gerade aufmunternd, denn man drohte ihnen mit einem harten Urteil, das allerdings nicht näher definiert wurde. Der Spitzel mit dem stechenden Blick, der die in strengem Ton geführten Sitzungen leitete, deutete an, dass die widerborstigen Ausländer wohl wegen Spionage mit der höchsten Strafe rechnen müssten. Lauri und Kalle vermuteten, dass das die Todesstrafe oder mindestens zehn Jahre Haft bedeutete. Es sah nicht gut aus für sie.
In dieser Situation brachte ihnen Kalles neue Religion Trost. Die beiden arbeiteten an den Details und waren sich bald einig, dass sie über etwas ganz Großartiges verfügten. Mit ein bisschen Glück könnten sie so etwas wie Jesus oder zumindest Propheten werden, im besten Falle sogar geistliche Führer vom Schlage des Dalai Lama. Kalle fand, dass eine solche Position nicht das Schlechteste wäre, auch Lauri fühlte sich geschmeichelt von der Vorstellung, Prophet einer Weltreligion zu werden. Aber er war realistischer als sein Gefährte und riet Kalle, sich nicht zu viel zu erträumen. Vielleicht waren sie ja auch nur zwei Irre mit bekloppten Fantasien? Genau das befürchtete Lauri nämlich, aber die Überzeugung seines Gefährten war stärker. Kalle erinnerte ihn daran, dass keine der alten Weltreligionen ursprünglich auf einer ernst zu nehmenden Erscheinung basiert hatte, sondern sie alle der Fantasie gewöhnlicher Sterblicher entsprungen waren. Warum also sollte es ihnen beiden nicht ebenfalls gestattet sein, die Lösung weltweiter Fragen ähnlich anzugehen.
Am Nachmittag beschlossen sie, erstmals und in vollem Ernst ein gemeinsames Gebet zu sprechen. Da Kalle ihnen keinen eigenen Gott erfunden hatte, beschlossen sie, dass das Weltall, also die gesamte bekannte und unbekannte Welt, an Gottes Stelle stehen solle. Das war wahrlich Gott genug.
»Verehrtes Weltall , rette uns aus dieser Misere«, sprach Lauri, und Kalle wiederholte murmelnd seine Worte.
»Allerbestes Weltall, gib uns wenigstens ein kleines Zeichen als Bestätigung dafür, dass wir hier eine neue Religion ausüben und dass wir aus diesen muffigen Zellen gerettet werden.«
Nun war Kalle der Vorbeter, und Lauri sprach ihm die flehenden Worte nach.
Es vergingen nur wenige Minuten, da kam ein kleiner gelber Vogel, der melodiös flötete und etwas auf dem Herzen zu haben schien, in den Hauptsaal des Klosters geflattert. Er setzte sich auf eine Eisenstange an Kalles Gittertür, legte den Kopf schief und betrachtete den Häftling. Kalle und Lauri sahen in ihm den Beweis dafür, dass das Weltall ihr inniges Gebet erhört hatte.
Lauri vermutete, dass es sich um eine Gelbbachstelze handelte, aber Kalle widersprach. Seiner Meinung nach konnten Bachstelzen in so hoch gelegenen Gegenden nicht überleben. Eher war dieser Bote eine lokale Besonderheit, ein Vogel, der sich an die dünne Luft gewöhnt hatte und auch Kälte und Wind aushielt. Wie auch immer,
Weitere Kostenlose Bücher