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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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sie nicht immer auf der Hut sind. Man muss immer wachsam sein, denn wir sind von Gefahren aller Art umgeben, und jede von ihnen kann das Ende bringen.
    Gleichgültigkeit umgibt uns, als wir den Marktbereich durchqueren, und hier und dort trifft uns ein feindseliger Blick. Die nächsten Tunnel, durch die unser Weg führt, sind düster und fast leer. Wieder nehme ich den Geruch von Erde und Schimmel wahr. Wahrscheinlich liegt er auch auf uns, die wir hier unten leben, aber nach einer Weile gewöhnt man sich daran. In diesem Teil der Katakomben gibt es nur wenig Licht. Die Generatoren liefern nicht genug Strom, um überall das Äquivalent eines Tag-Nacht-Zyklus aufrechtzuerhalten. In weniger wichtigen Bereichen wie diesem verzichtet man ganz auf elektrisches Licht. Albani sucht in den Taschen seines Overalls und holt eine wiederaufladbare Lampe hervor. Ein wertvolles Objekt – ich habe gar nicht gewusst, dass es noch welche gibt. Es ist eine LED -Taschenlampe, und man lädt sie auf, indem man eine Kurbel dreht. Als sie neu war, brauchte man die Kurbel nur eine Minute zu betätigen, um für mehrere Minuten Licht zu haben, aber jetzt muss Albani sie ständig drehen. Trotzdem finde ich sie erstaunlich und heiße ihr Licht willkommen, obwohl es manchmal auf Erschreckendes fällt: das Grinsen eines zahnlosen Schädels oder einen Haufen Knochen in einer Grabnische. Hier und dort hängen Spinnweben wie Leichentücher von der Decke. Ein wahrer Horrortunnel. Gelegentlich berührt meine Hand etwas, das sich im Dunkeln bewegt. Eine Ratte vielleicht, oder etwas anderes. Es heißt, dass sich in der Finsternis schlimmere Geschöpfe als Ratten herumtreiben.
    »Eine Sektion der Katakomben, die es zu erschließen gilt«, sagt Albani. »Eines Tages wird sie vielleicht zum Gegenstand von Immobilienspekulation. Die Immobilienhändler sprechen in diesem Zusammenhang von einem ›großen Potenzial‹.«
    Ich weiß nicht, ob sich der Kardinal einen Scherz erlaubt oder es wirklich ernst meint. Ebenso wenig weiß ich, wie weit wir gegangen sind, vielleicht zwei Meilen, und auf verschiedenen Ebenen. Schließlich erreichen wir etwas, das mir wie eine Insel aus Licht erscheint, ein von Öllampen erhelltes Zimmer.
    Albani hört auf, die Kurbel seiner Taschenlampe zu drehen.
    »Bitte sehen Sie ihnen das etwas … grobe Benehmen nach. Es sind Soldaten. Gute Manieren sind nicht unbedingt ihre Stärke. Was wissen Sie von der Welt dort draußen, Pater?«
    »Sehr wenig. Ich kenne sie eigentlich nur aus den Berichten der Kundschafter.«
    »Die Männer, denen wir gleich begegnen, wissen alles über das Draußen. Oder zumindest das, was dort fürs Überleben nötig ist. Eine bessere Eskorte können Sie sich nicht wünschen. Kommen Sie.«
    Keiner der Männer scheint neugierig zu sein, als wir den Raum betreten.
    Es ist ein kleines Zimmer, in dem es nur wenig Platz gibt. Das Licht stammt von zwei Öllampen und einem Dutzend Kerzen. Die Männer sitzen im Halbdunkel und wirken wie Statuen aus Wachs.
    Albani lächelt, und mir fällt auf, wie sehr sich seine Korpulenz vom Körperbau dieser Männer unterscheidet, die mager sind wie Schakale oder streunende Hunde. Ich folge ihm, als er an ihnen vorbeigeht, als wollte er eine Parade abnehmen. Sie sind fast reglos, als müsste jede noch so kleine Bewegung sorgfältig erwogen werden.
    Sechs Mann, unterschiedlich groß, und sie tragen unterschiedliche Arten von Tarnkleidung. Es fällt mir nicht schwer, ihren Anführer zu identifizieren. Nur er steht, und ich spüre den Respekt und die Aufmerksamkeit, die er bei den anderen genießt.
    »Hauptmann Marc Durand«, stellt Albani vor. »Pater John Daniels, von der Kongregation für die Glaubenslehre.«
    In den Augen des Hauptmanns liegt ein spöttisches Lächeln, doch seine Lippen bleiben geschlossen und bilden einen schmalen Strich. Er ist dünn wie ein Windhund und um die fünfzig. Mir erscheint er vertraut, wie jemand aus der Vergangenheit, dessen Name mir nicht einfällt. Durand tritt einen Schritt vor, reicht mir die Hand und drückt fest zu.
    »Können Sie mit Waffen umgehen?«, fragt er ohne große Umschweife.
    »Als Junge habe ich schießen gelernt.«
    »Scheint ziemlich lange her zu sein, so über den Daumen gepeilt.«
    »Etwa dreißig Jahre.«
    Der neben Durand sitzende Mann grinst und schüttelt den Kopf.
    Er ist klein und untersetzt, mit einer Narbe auf dem kahlen Kopf und dem Rangabzeichen eines Feldwebels an der Jacke.
    Durand klopft ihm auf die Schulter.

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