Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
»Gib dem Pater deine Pistole, Pauli.«
Der Feldwebel grinst weiterhin, als er die Pistole aus dem Halfter zieht und sie mir gibt.
»Welche Waffen haben Sie damals benutzt?«, fragt mich Durand.
»Oh, verschiedene: Karabiner, Pistolen, automatische Gewehre, Präzisionsgewehre, Flammenwerfer, Desintegratoren, taktische Atombomben …«
Der Hauptmann sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren.
»… Plasmakanonen, Katapulte, Langbögen, altrömische Schwerter, Partikelkanonen …«
»Immer langsam, Pater. Wovon reden Sie da?«
»Von meinen einzigen Erfahrungen mit Waffen. Ich habe sie beim Spielen am Computer und auf der Playstation gesammelt.«
Hauptmann Durand schüttelt den Kopf.
Der Feldwebel kratzt sich am Kinn. »Ich fürchte, das zählt nicht. Haben Sie nie wirklich geschossen? Ich meine, mit einer richtigen Pistole?«
»Nein. Nicht einen Schuss.«
Der Feldwebel wendet sich an seinen Vorgesetzten und spricht auf Französisch, so schnell, dass ich nur die Wirte Problem und Munition verstehe.
Durand nimmt mir die Pistole aus der Hand.
»Sie wollen nach draußen, ohne zu wissen, wie man schießt? Wissen Sie, was das bedeutet? Es bedeutet, dass Sie die gleiche Überlebenschance haben wie eine Schneeflocke in der Hölle.«
»Ich dachte, das Schießen übernehmen Sie.«
Durand richtet einen strengen Blick auf mich. »Bei dieser Mission müssen alle fähig sein, allein zurechtzukommen. Niemand kann einen Klotz am Bein gebrauchen. Jeder muss sich verteidigen können. Andernfalls bringt er nicht nur sich selbst in Gefahr, sondern die ganze Mission. Ist das klar?«
Ich nicke.
»Bon«, sagt Durand. »Die theoretische Ausbildung können wir überspringen. Es ist ja nicht so, dass wir massenhaft Munition hätten. Die praktische erfolgt vor Ort. Wenn es notwendig ist. Und das wird der Fall sein, fürchte ich. Das heißt, die theoretische Ausbildung findet doch statt, jetzt sofort. Erste und letzte Lektion … Für meine Gruppe gibt es zwei Regeln: ein Schuss, ein Toter.«
Ich mustere ihn. »Das ist eine Regel«, erwidere ich. »Wie lautet die zweite?«
»Die zweite ist in der ersten enthalten. Es darf keine Munition vergeudet werden.«
Kardinal Albani räuspert sich.
»Darf ich Sie bitten, Pater John die anderen Mitglieder der Gruppe vorzustellen, Hauptmann?«
Durand deutet auf den untersetzten Mann an seiner Seite. »Feldwebel Paul Wenzel, Pauli genannt. Auf Zerstörungsmethoden spezialisiert. Natürlich bleibt er auf diesem Gebiet immer die Nummer zwei. Niemand übertrifft General Fubart.«
»Fubart?«
Durand lächelt. »Ein Wortspiel. Der FUBAR -Tag. Wissen Sie, was eine FUBAR -Situation ist, Pater Daniels?«
»Ich muss zugeben, dass ich keine Ahnung habe.«
»Im Jargon des amerikanischen Militärs nennt … nannte man schwierige Situationen SNAFU , TARFU und FUBAR . Der Begriff SNAFU setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Worte Situation Normal, All Fucked Up . TARFU bedeutet Things Are Really Fucked Up . Das Akronym FUBAR betrifft die schlimmste Situation: Fucked Up Beyond All Recognition. Es bedeutet, dass eine Situation so schlecht ist, dass man besser alles dem Erdboden gleichmacht und von vorn beginnt. Der FUBAR -Tag …«
»Wir sprechen in diesem Zusammenhang vom Leid …«
»Genau, ihr .«
Durand nickt den beiden rechts von ihm sitzenden Männern zu. Der magerere von ihnen reinigt gerade seine Fingernägel mit einem Wurfmesser. Der andere beobachtet mich, die Augen weiß in einem pechschwarzen Gesicht.
»Der Weiße ist Jegor Bitka, unser Funker, unter anderem. Um ehrlich zu sein: Draußen ist ein Funker ebenso nützlich wie ein Glas Wasser in der Hölle. Ein Funkgerät wäre nur zusätzliches Gewicht. Aber man muss die Tradition achten, und deshalb schleppen wir ein Funkgerät mit uns herum, das niemandem etwas nützt. Der Neger ist Korporal Marcel Diop, Fachmann für alles und außerdem ein riesengroßer Nerver.«
Von den Lippen des Hauptmanns kommend klingt das Wort Neger nicht beleidigend.
Beide Soldaten neigen kurz den Kopf. Bei Diop sieht es ehrlich aus, bei Bitka hat das knappe Nicken etwas Ironisches.
»Ist Bitka ein serbischer Name?«, frage ich.
Ich bekomme keine Antwort von ihm. Bitka ist blond und blass, und am Hals zeichnen sich deutliche Muskelstränge ab.
»Im Serbokroatischen bedeutet Bitka ›Schlacht‹«, füge ich hinzu.
»Ach ja? Und Diop? Bedeutet das ebenfalls etwas?«, entgegnet er voller Sarkasmus. »Wissen Sie auch darüber Bescheid?«
Ich
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