Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
Verneigung vor der Tradition. In Umlauf gelangt kaum eine von ihnen. Die meisten Münzen liegen in irgendeinem Tresor oder werden als diplomatische Geschenke verwendet. Maxim hat mir einmal gesagt: Wenn wir jemals wieder einen Papst haben, wird seine erste Münze aus Gold sein. Aus dem Gold eingeschmolzener liturgischer Gegenstände, wobei wir natürlich mit den weniger wichtigen beginnen.
Doch die wahre Währung dieser unterirdischen Welt ist nicht die vatikanische Lira.
»Fünf Liter Whisky«, sagt Albani. Eigentlich spricht er die Worte gar nicht, er haucht sie nur. »Und zwei Stangen Zigaretten.«
»MS?«, fragt Bune und meint damit die vor dem Leid in Italien meistverbreitete Zigarettenmarke. Die Zigaretten sind zwanzig Jahre alt, aber luftdicht verpackt, und daher müssten sie eigentlich noch zu rauchen sein, rein theoretisch. Aber niemand öffnet die Päckchen. Die Zigaretten sind heute kein Konsumartikel mehr, sondern Zahlungsmittel. Das gilt auch für den Kaffee, den niemand zu trinken wagen würde und der nach zwei Jahrzehnten vermutlich gar nicht mehr genießbar ist. Es sind Tauschmittel, und sie haben deshalb einen so hohen Wert, weil sie unersetzlich sind. Whisky erfreut sich in diesem Zusammenhang besonderer Beliebtheit, denn man kann ihn auch nach zwanzig Jahren noch trinken.
Als Zahlungsmittel hat er einen hohen Wert. Ich erinnere mich an die alten Fünfhundert-Euro-Scheine, mit denen man sich einst viel kaufen konnte – wir haben Feuer mit ihnen angezündet.
Es ist die Seltenheit einer Ware, die ihren Wert bestimmt.
»Marlboro«, sagt Albani, lächelt und wartet auf die Wirkung dieses einen Wortes.
Bunes Augen werden groß.
»Und zweihundert Patronen, das Kaliber nach freier Wahl. Außerdem …«
Das letzte Wort war wie ein Köder am Ende der Angelschnur. Wie ein guter Angler lässt Albani den Köder sinken, bevor er an der Schnur zieht und ihn bewegt.
»Außerdem zehn Prozent von allem, was ihr in Venedig bergen könnt.«
»Zehn Prozent für jeden?«
Albani lächelt erneut und schüttelt den Kopf.
»Zehn Prozent, die unter euch aufgeteilt werden. Ich bin rot gekleidet, aber nicht der Weihnachtsmann.«
Genau genommen ist das einzige rote Kleidungsstück an ihm die Kardinalskappe auf seinem Kopf. Wie alle Zivilisten des Neuen Vatikans trägt er einen schlichten Einteiler, wenn auch aus gutem Stoff und nach Maß. Besonders gut steht er ihm nicht. Der Bauch wölbt sich weit nach vorn, als sei er schwanger. Die früher von Kardinälen getragenen langen Gewänder hätten zumindest ein wenig über seine Fettleibigkeit hinweggetäuscht.
»Sie sind vielleicht nicht der Weihnachtsmann, aber Ihr Angebot ist verdammt gut.« Bune lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, schließt die Augen und stellt sich vielleicht seine Prämie vor.
»Hinzu kommt der Ruhm, dem Vatikan bei einer außerordentlich wichtigen Mission geholfen zu haben«, fügt Albani hinzu, womit er allerdings keine annähernd so große Wirkung erzielt wie vorher.
»Also gut, Jungs«, sagt Durand. »Ihr habt Seine Eminenz gehört. Euch erwartet eine große Belohnung. Abgesehen natürlich von dem Ruhm.«
Er deutet dem Kardinal gegenüber eine Verbeugung an. »Wann sollen wir aufbrechen?«
Ferdinando Albani schließt die Augen, bevor er ein Wort flüstert.
»Heute Nacht.«
3
HINTER JEDEM GROSSEN VERMÖGEN STEHT EIN VERBRECHEN
Es überrascht mich, dass die Soldaten so ruhig bleiben, als sie erfahren, dass wir uns praktisch sofort auf den Weg machen sollen – es bleiben nur wenige Stunden für die Vorbereitungen. Ich habe mit lautem Protest gerechnet, doch Hauptmann Durand nickt nur und wendet sich an seine Männer. »Packt alles zusammen. Wir treffen uns hier in zwei Stunden. Tarnkleidung für den Außeneinsatz. Proviant für drei Tage. Wenn ihr euch von euren Schönen verabschieden wollt, so beschränkt euch auf eine schnelle Nummer.«
Die Männer antworten sofort, mit »Zu Befehl, Hauptmann« oder einem legeren »Alles klar« oder »In Ordnung«.
Dann dreht sich Durand zu mir um.
»Folgen Sie mir, Pater Daniels.«
»Sie können mich John nennen.«
»Mir ist ›Pater Daniels‹ lieber, zumindest für den Moment. Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo Sie Ihre Ausrüstung zusammenstellen können.«
Ich werfe dem Kardinal einen fragenden Blick zu.
Albani schenkt mir ein beruhigendes Lächeln.
»Gehen Sie nur, Pater. Wir sehen uns dann, wenn Sie aufbrechen.«
Der Hauptmann streicht einen Vorhang an der Rückwand des Raums
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