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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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um eine Rast.
    Und so machte ich mich auf die Suche nach einer Toilette.
    Es war nicht leicht, eine zu finden. Einige Zimmer waren verschüttet, und bei anderen hing die Decke so weit durch, dass sie jeden Moment nachgeben konnte. Der Vatikan war kein modernes Gebäude, sondern ein Flickwerk aus ursprünglichen Bauten und Erweiterungen.
    Schließlich gelangte ich in das Vorzimmer einer Toilette. Die Decke war eingestürzt, und in den Trümmern lagen zwei Tote. Ich kletterte über sie hinweg. Hinter dem Schutthaufen sah ich eine halb offene Tür.
    Und hinter der Tür … Wie ein Traum.
    Es strömte noch Wasser aus den Hähnen. Ich trank so viel, dass mir fast schlecht wurde, und anschließend ließ ich mir das Wasser übers Haar laufen. Es war ein herrliches Gefühl. Damals wusste ich noch nicht, dass ich es zum letzten Mal genießen konnte. Dass die Tage fließenden Wassers zu Ende gingen.
    Dann habe ich mich umgedreht und die Tür der Kabine vor mir geöffnet.
    Fast hätte mich der Schlag getroffen, denn plötzlich sah ich mich dem Papst gegenüber.
    Er saß auf dem Klo. Reglos saß er da und starrte mich an wie eine Eule, die eine Beute erspäht hat.
    Ich entschuldigte mich und wollte die Tür wieder schließen, aber der Gesichtsausdruck des Papstes veränderte sich nicht.
    Da begriff ich, dass er tot war.
    Er war auf dem Klo gestorben, mit heruntergelassener Unterhose.
    Wie er ums Leben kam, weiß ich nicht. Vielleicht fiel er einem Herzanfall zum Opfer, obwohl sein Gesicht überhaupt keinen Schmerz zeigte. Aber an seinem Tod konnte nicht der geringste Zweifel bestehen.
    Ich hätte die Toilette verlassen und dem Kardinal und seiner Eskorte Bescheid geben sollen. Stattdessen blieb ich dort stehen und starrte den Toten an, der das Oberhaupt der größten Kirche auf der Welt gewesen war. Ich starrte ihn an, bis ich nur noch einen seltsam gekleideten Mann mit einem goldenen Ring am Finger sah.
    Mit einem geradezu riesigen Ring.
    Ich bin nicht dumm. Mir war klar, dass die alte Zeit nicht zurückkehren würde, dass uns alle eine unsichere Zukunft erwartete, vielleicht das Ende der Zivilisation. Noch kannte ich nicht das ganze Ausmaß der Katastrophe, aber ich war sicher, dass Gold …
    Gold ist in Krisenzeiten immer eine gute Währung gewesen.
    Deshalb beugte ich mich vor und zog dem toten Papst den Ring vom noch warmen Finger.
    Er schien erst vor kurzer Zeit gestorben zu sein.
    Ich fragte mich, wie es möglich war, dass ein so mächtiger Mann allein sterben konnte, von allen verlassen. Bis heute habe ich keine Antwort auf diese Frage bekommen.
    Ich steckte den Ring ein und kehrte zu Albani und seinen Begleitern zurück. Den Rest kennst du, mehr oder weniger.
    »Man hat uns den Tod des Papstes anders geschildert«, sage ich.
    »Ich weiß. Hast du den Clown von päpstlichem Diener kennengelernt?«
    »Meinst du Anselmo?«
    »Genau den. Ich nehme an, du hast die Geschichten gehört, die er erzählt? Vom Papst, der vor einer Menschenmenge auf dem Petersplatz betet? Der auf dem Balkon bleibt, bis die Bomben fallen? Alles gelogen. Wer weiß, wie viele Legenden auf diese Weise entstanden sind. Heilige, die nie getan haben, was man ihnen zuschreibt. Oder schlimmer noch: die nie existiert haben. An jenem Tag hat es auf dem Petersplatz keine gewaltige Menschenmenge gegeben. Es hatten sich Menschen eingefunden, die beteten, doch es waren nicht Hunderttausende. Nein, der Papst starb einen weitaus weniger heldenhaften Tod, als Anselmo behauptet. Natürlich bleibt dies unser Geheimnis. So wie es ein Geheimnis von Adèle und mir war.«
    Kaum hat Durand den Namen gesprochen, starrt er wieder durch die offene Tür nach draußen.
    Für einige Sekunden frage ich mich, ob er tatsächlich auf Adèle wartet, ob etwas in ihm wirklich glaubt, sie könnte von den Toten zu ihm zurückkehren, wenn er nur lange genug wartet.
    »Du darfst nicht einfach so aufgeben«, sage ich.
    »Und wenn schon … Was können wir noch tun?«
    »Du könntest wieder das Kommando der Gruppe übernehmen.«
    »Es gibt keine Gruppe mehr.«
    Durand richtet einen zornigen Blick auf mich.
    »Unter ›Gruppe‹ verstehe ich die Personen, die von der Calixtus-Katakombe aufbrachen! Sieben, alle gesund. Eine Gruppe, die zwei Geländewagen hatte und mit Maschinenpistolen bewaffnet war! Jetzt hat sie weder das eine noch das andere. Wir sind keine Gruppe mehr! «
    Er senkt den Kopf und flüstert: »Wir sind Überlebende, weiter nichts. Und da draußen haben wir uns genug

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