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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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Strahlung eingefangen, um bald zu sterben.«
    Ich gehe wieder nach oben. Dort hat sich nichts verändert, als hätten sich die Männer, die ich zurückgelassen habe, in Statuen verwandelt.
    »Feldwebel …« Ich bücke mich; Wenzel scheint eingeschlafen zu sein. »Wachen Sie auf, Feldwebel.«
    »Was ist?«
    »Der Hauptmann möchte, dass wir nach draußen gehen.«
    »Nach draußen? Warum?«
    »Wir sollen die Fahrzeuge kontrollieren.«
    »Welche Fahrzeuge?«
    »Die beiden Hummer.«
    »Weshalb?«
    »Gehorchen Sie einfach.«
    »Von Ihnen nehme ich keine Befehle entgegen.«
    »Der Befehl stammt vom Hauptmann.«
    Ein anderer Mann wäre misstrauisch gewesen. Aber Wenzel ist fest in militärischen Tugenden wie Gehorsam und Respekt vor der Rangordnung verwurzelt.
    »Na schön. Gehen wir.«
    Er hebt seine Kalaschnikow auf.
    Mit den Schmeisser-Maschinenpistolen, die wir gefunden haben, lässt sich nichts mehr anfangen. Sie sind vollkommen verdreckt oder im Feuer halb verbrannt.
    Ich nehme eine Pistole aus dem Haufen aus Waffen und Munition – viel haben wir nicht gefunden.
    Auch wenn wir nicht mit einer Mission beauftragt wären: Ich will diesen Ort, der so viel Schreckliches gesehen hat – und an dem wir Schreckliches getan haben – so schnell wie möglich verlassen. Hier hat eine glückliche Gemeinschaft gelebt, sofern man in dieser Zeit glücklich sein kann. Wir haben einem Wahnsinnigen dabei geholfen, alle zu töten, und es ist uns nicht einmal gelungen, den Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft zu ziehen.
    Ich fürchte einen kritischen Moment, als wir die Eingangshalle erreichen. Aber Durand ist nicht mehr da. Er hat das Gewehr und die Gasmaske auf dem Boden zurückgelassen.
    Wenzel blickt auf die Waffe, ohne ein Wort zu sagen.
    Wir gehen nach draußen.
    Finsternis erwartet uns.
    Wie viele Nächte haben wir bereits verloren, ohne dem Ziel näher gekommen zu sein?
    Unter anderen Umständen hätten wir Venedig vielleicht schon erreicht.
    Eiskalter Wind streicht über die Dünen aus Sand und Schnee, verwischt die Konturen.
    Wir kommen an den Resten des Scheiterhaufens vorbei, von dem noch immer der Gestank verbrannten Fleisches ausgeht.
    Im Licht von zwei Gaslampen, die wir in der Festung gefunden haben, stapfen wir durch die Dunkelheit, bis zum Rand des Platzes.
    Schließlich ragen die beiden Hummer vor uns auf – sie scheinen uns aus der Dunkelheit entgegenzukommen.
    Sie sind beide übel zugerichtet, mit Beulen und Löchern in der Karosserie. Der gelbe Hummer, der mit dem Schneepflug, scheint sich in einem etwas besseren Zustand zu befinden als der andere.
    Wenzel nickt.
    »Dieser scheint in Ordnung zu sein.«
    »Die Scheinwerfer auf dem Dach …«
    »Wir können die des anderen Wagens nehmen. Für den Umbau brauche ich eine Stunde, mehr nicht.«
    Sich mit technischen Dingen beschäftigen zu können weckt die Lebensgeister des Feldwebels. Er geht um den Hummer herum, fasst ihn an, begutachtet ihn von allen Seiten. Anschließend nimmt er sich den anderen Geländewagen vor.
    Offenbar ist er mit dem Ergebnis der Untersuchung zufrieden.
    »Aus zwei Wagen können wir einen funktionsfähigen machen, mit relativ wenig Arbeit. Der Hauptmann hat ein gutes Auge gehabt.«
    »Wobei habe ich ein gutes Auge gehabt?«, ertönt Durands Stimme hinter mir.
    Der Feldwebel richtet einen überraschten Blick auf ihn und nimmt Haltung an.
    Durand tritt an mir vorbei. Er trägt weder seine Gasmaske noch einen Strahlenschutzumhang. Mit gemächlichen Schritten nähert er sich Wenzel und dem gelben Hummer.
    »Du kannst ihn wieder in Ordnung bringen?«
    »Ja, Hauptmann!«
    »Dann mach dich an die Arbeit. Bring den Wagen unters Vordach.«
    »Der Schlüssel fehlt.«
    »Durchsucht die Toten. Der Schlüssel kann nicht weit sein. John, ich möchte dich kurz sprechen. Unter vier Augen.«
    Wir kehren zu den Resten des Scheiterhaufens zurück, auf dem Adèle, der Herzog und die Leichen der beim Kampf Gefallenen verbrannt sind.
    Durand setzt sich auf den Boden. Mit einem Stock stochert er in der Asche, bis er auf einen Knochen stößt.
    »Ich habe nichts mehr von ihr, abgesehen von meinen Erinnerungen. Als ich ihr zum ersten Mal begegnete, war sie eine zutiefst verunsicherte Person. Sie ließ niemanden an sich heran und weinte oft. Es dauerte Monate, bis sie selbstbewusst genug war, sich wieder dem Leben zuzuwenden. Und jetzt liegt ihre Asche dort. Ich werde sie nie wiedersehen. Erzähl mir jetzt keinen Unsinn übers Paradies und ein Leben nach dem Tod.

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