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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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Feldwebel. Dies ist Pater John Daniels.«
    »Jawohl, Herr Hauptmann.«
    »Es ist ein Name, kein Befehl.«
    »Ein guter Name, Herr Hauptmann.«
    »Ich möchte, dass du Pater Daniels von Kopf bis Fuß ausrüstest. Gib ihm alles, was man für eine Mission braucht.«
    »Zu Befehl. Wie lange soll die Mission dauern?«
    »Vier Wochen.«
    Der Feldwebel reißt die Augen auf.
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Ich habe es nie ernster gemeint. Er sollte auch eine Waffe bekommen. Hast du noch eine Schmeisser für mich?«
    »Eine der letzten.«
    »Zuschlag erteilt. Außerdem vier Magazine mit Patronen vom Kaliber 9 mm Parabellum.«
    »Vier Magazine sind viel.«
    »Auch vier Wochen sind viel.«
    »Dort draußen gibt es viele leere Kasernen.«
    »Nicht dort, wohin wir gehen. Machen wir besser fünf Magazine daraus. Für uns. Die anderen brauchen ebenfalls welche. Wie sieht’s mit Granaten aus?«
    »Ich kann euch dreißig geben.«
    »Nicht fünfzig?«
    Der Feldwebel schüttelt denn Kopf. »Höchstens vierzig.«
    »Na schön, vierzig. Wir müssen eben damit auskommen.«
    Ich starre auf die Maschinenpistole, die der Feldwebel auf den Tresen legt, an dem noch Reste einer Martini-Werbung zu sehen sind. Die Waffe scheint ganz neu zu sein, glänzt ölig und hat nicht den kleinsten Kratzer. Doch solche Maschinenpistolen habe ich zum letzten Mal als Kind in alten Kriegsfilmen gesehen.
    »Gucken Sie nicht so«, sagt der Feldwebel und zwinkert mir zu. »Dieses schöne Teil hat fast neunzig Jahre hier unten geschlafen. Ein echter Vampir.«
    Ich habe davon gehört, dass neben der Calixtus-Katakombe einige unterirdische Waffendepots gefunden worden sind, angelegt von der Wehrmacht vor ihrem Rückzug im Jahr 1944. Die Waffen lagen gut geölt in versiegelten Holzkisten und befanden sich in einem so guten Zustand, dass sie einen unschätzbaren Wert hatten. Heutzutage kommt es dem Haupttreffer in einer Lotterie gleich, eine Waffe zu finden, die man noch benutzen kann. Praktisch neue zu entdecken läuft auf ein Wunder hinaus.
    Die Depots enthielten nicht nur Maschinenpistolen, sondern auch Statuen, Bilder und andere Kunstobjekte, die heute die Wände des Neuen Vatikans und des Stadtrats schmücken.
    Um ganz ehrlich zu sein: Der Stadtrat hat sich davon mehr unter den Nagel gerissen als der Vatikan. Im täglichen Spiel des Gleichgewichts, das hier unten als Politik gilt, macht sich das Gewicht des zivilen Verwaltungsapparates immer mehr bemerkbar. Kardinal Albani ist aus gutem Grund besorgt. Was heute »Stadtrat« oder »Kommune« genannt wird, hat nichts mehr mit der gewählten Autorität zu tun, die früher einmal die Stadt regiert hat. Der heutige Stadtrat besteht aus drei Familien, die zuerst auf die Idee kamen, die Katakomben als Zufluchtsort zu nutzen. In den sechs entscheidenden Tagen nach der Inbesitznahme des unterirdischen Refugiums haben die drei Familien einen erbarmungslosen Kampf gegen die zerlumpten Heerscharen geführt, die aus der brennenden Stadt hierher fliehen wollten. Verzweifelte griffen an, und Verzweifelte verteidigten sich. Aber die hinter den Metalltüren der Katakomben verschanzten Verzweifelten hatten Waffen . Noch heute liegen draußen Dutzende von Skeletten vor den Eingängen, auch von Frauen und Kindern. Von manchen besonders dunklen Kapiteln jenes Kampfes wird nur leise berichtet, damit es nicht an die falschen Ohren gerät. Es heißt, dass sich in manchen Tunneln die Geister von Gefangenen herumtreiben, die erschlagen oder in abgelegenen Gewölben lebendig eingemauert wurden. Wenn ihr das Ohr an die Wände haltet, könnt ihr die Stimmen hören, sagen Mütter zu ihren Kindern.
    Als die Flüchtlinge nicht mehr versuchten, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen, als sie nicht mehr gegen die Türen traten und die Leute dahinter verfluchten, als sie stattdessen zu flehen begannen … Da öffneten die Verteidiger ihren Zufluchtsort.
    Aber nicht für alle.
    Die aus jener Zeit stammenden Berichte sind voller Schrecken und Hoffnung. Mit den Augen der Fantasie sehe ich die dürren Gestalten, die vor den bewaffneten Männern in einer Reihe Aufstellung bezogen haben. Die Selektierer tragen Gasmasken und dicke Wachstücher, gehen an der Reihe entlang und treffen ihre Wahl. Gelegentlich legen sie einer der heruntergekommenen Gestalten die Hand auf die Schulter, und das ist das Zeichen, dass der oder die Betreffende in die Katakomben darf. Ich stelle mir eine Frau vor, jung und schön. Sie scheint gesund zu sein. Ein Mann bleibt vor ihr

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