Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
Werkzeug meines Glaubens wird, wer kann dann widerstehen? Warum also sollte ich bei der Wahl eines neuen Papstes mitwirken?
Mein Körper zuckt wie in plötzlichen Krämpfen.
Eine Sekunde später wird mir klar: Es ist die Reaktion auf das Lachen zwischen meinen Schläfen.
Ich fange selbst an zu lachen. Ich kann nicht anders.
Alessia sieht mich erschrocken an.
Ich sehe in deinen Gedanken, was dich lachen lässt. Du hast recht. Es ist komisch, an einen Papst wie mich zu denken …
»Nein, ich … Entschuldige, aber seit Jahrhunderten erwarten die Gläubigen einen schwarzen Papst. Aber so haben sie ihn sich bestimmt nicht vorgestellt.«
Ich werde nie Papst sein. Gleich werden meine Feinde hier eintreffen, und sie werden mich töten, meine Existenz auslöschen.
»Deine Helfer, die Toten …«
Sie können meine Feinde nicht lange aufhalten. Die Männer werden kommen und mich umbringen. So steht es geschrieben. Die Zeit ist nicht der gerade Weg, für den du sie hältst, sondern eine Spirale. Von einer Stelle dieser Spirale habe ich gesehen, was jetzt geschieht. Wir können nichts daran ändern. Mein Ende ist unausweichlich. Doch mein Ende bedeutet auch den Anfang für etwas anderes.
Ich höre ein Pochen – jemand schlägt gegen die Tür am Ende des Korridors.
Die Schläge werden heftiger und lauter.
Geh jetzt. Du und Alessia, ihr müsst fliehen. Jene Männer bringen etwas Schreckliches mit. Sie haben es bis hierher gebracht. Einen der Sprengkörper, denen die Welt zum Opfer fiel. Er ist hier. Du musst verhindern, dass er alles vernichtet. Du musst verhindern, dass noch mehr Tod und Zerstörung der Waage hinzugefügt werden, die das Böse deiner Welt wiegt.
»Unmöglich. Durand und seine Männer sind hier, um mir dabei zu helfen, dich nach Rom zu bringen.«
So wurde es dir gesagt. Aber die Wahrheit sieht anders aus. Albani will mich tot sehen, und um auf Nummer sicher zu gehen, will er auch alle Bewohner dieser Stadt töten.
»Aber es gibt nur Tote in Venedig! Tote und Geister.«
Da irrst du dich. Auch wenn du sie nicht gesehen hast: Viele Geschöpfe wie ich leben hier. Ich habe sie gebeten, diskret zu sein, dich nicht zu stören. Aber ich weiß: Dir fällt es schwer, Personen in ihnen zu sehen. Sprechen wir also über Menschen. Viele von ihnen hausen in den Gewölben zwischen den Wurzeln dieser Stadt. Venedig hat mehr als dreihundert Einwohner. Hinzu kommen jene, denen ich ein zweites Leben geschenkt habe, meine Kinder, Tausende von ihnen, und sie sind die schönsten Blumen in meinem Garten. Die Bombe würde nicht nur die Stadt zerstören, sondern auch sie. Ich hänge mehr an ihnen, als du ahnst. Sie können nicht leben, wenn die Stadt stirbt.
»Wie würdest du ›Leben‹ definieren?«
Das Leben hat viele Gestalten, aber es ist immer Leben. Die Dinge sind aus dem Gleichgewicht geraten, und ich kann die Balance nicht wiederherstellen. Es müssen andere Formen gefunden werden, andere Wege. Das Leben passt sich an. Ich bin ein gutes Beispiel dafür. Euer Weg ist falsch.
Das Hämmern an der Tür wiederholt sich, noch stärker und lauter als zuvor.
Geht jetzt. Ihr findet den Sprengkörper am Anfang des Kanals, der diese Insel mit der Stadt verbindet.
Ich drehe mich zu Alessia um. Sie ist schöner als jemals zuvor, und ich erkenne die Sorge in ihrem Gesicht, als sie den Patriarchen ansieht und dann zum Korridor blickt, zum Ausgang.
»Aber du wirst sterben!«
Nichts stirbt wirklich. Nichts. Und denk an die Bibel: Wie kann der Samen Früchte tragen, wenn er nicht stirbt? Geht jetzt. Und überbringe diese Worte dem Kardinal, der seinen Soldaten befohlen hat, mich zu vernichten, und mit mir diese Stadt. Sag ihm, seine Belohnung sei unterwegs.
Mit einem Donnern gibt die Bronzetür nach und springt aus den Angeln. Die Schritte eines einzelnen Mannes kommen durch den Korridor. Er hinkt, und nach einigen Sekunden höre ich weitere Schritte, wenn man sie so nennen kann; es klingt eher nach einem mühevollen Schlurfen.
Es ist zu spät, flüstert die Stimme in meinem Geist.
»Jack … Daniels … du verdammter … Mistkerl …«, keucht jemand. Ich erkenne die Stimme von Hauptmann Durand.
Der Mann, der das Licht des runden Raums erreicht, ist verletzt. Seine Atemmaske hat sich vom Gesicht gelöst und baumelt an einem Riemen. Blut tropft vom rechten Arm, doch die linke Hand hält die Machete, ihre Klinge ist schmutzig.
»Du hast deine Religion verraten!«, ruft er mir zu.
»Was bedeutet dir meine Religion? Du
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