Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
immer wieder: BERICHTEN, BERICHTEN, BERICHTEN.
Erneut schüttele ich den Kopf.
Der Hauptmann hebt das große Messer.
Bevor ich die Augen schließe, glaube ich, einen weißen Mond zu sehen, der langsam vom Grund des Beckens aufsteigt. Er steigt durchs Wasser auf, wird größer und zu einem Gesicht.
Gleichzeitig hebt Durand die Machete zum tödlichen Schlag.
Das durchs dunkle Wasser aufsteigende blasse Gesicht gehört Alessia.
Es ist ein ernstes Gesicht, voller Entschlossenheit. Falten durchziehen die Stirn.
Eine Stimme erklingt, eine mächtige Stimme, die das Telefon mühelos übertönt, durch meinen Kopf hallt und den runden Raum füllt.
Es wird Zeit, dass du lernst, wie groß Gott ist!
Alessia springt aus dem Wasser, eine Gestalt, die ihrerseits aus Wasser besteht und wie Metall glänzt. Ihre Hände packen den Hauptmann am Hals und heben ihn mühelos hoch. Die Machete bohrt sich ins Wasser, ohne Schaden anrichten zu können. Fassungslos beobachte ich, wie Alessia und Durand hochschweben und sich einem Tanz gleich unter der hohen Decke drehen.
Du bist nicht besser als der Mörder, den ich gejagt habe! , donnert Legion.
Alessia und Durand drehen sich immer schneller unter der Decke, wie Derwische. Dem Hauptmann treten die Augen aus den Höhlen, und die Zunge ragt halb aus dem Mund. Das Gesicht ist gerötet und wirkt aufgedunsen. Die Füße treten in der leeren Luft, die Beine zucken noch einige Male und erschlaffen schließlich.
Alessia lässt den Mann fallen.
Durand verschwindet im dunklen Wasser des Beckens; es verschlingt ihn.
Alessia verzieht das Gesicht und schickt ihm einen mitleidigen Blick hinterher.
Zwei Hände fassen mich an den Schultern und helfen mir hoch.
Ich kann mich kaum auf den Beinen halten.
Alessia steht vor mir, noch schöner als zuvor.
»Durand ist tot«, sagt sie. »Jetzt bist du frei.«
»Frei?«
Ich schüttele den Kopf. »Was nützt mir die Freiheit? Wohin soll ich gehen?«
»Du bist jetzt frei, deine Mission zu erfüllen.«
»Meine Mission … Ich habe keine Mission mehr. Verstehst du? Jeder verrät jeden …«
»Du nicht«, flüstert Alessia und haucht mir auf den Hals. Als ich sie berühren will, weicht sie wie zuvor zurück.
Dann dreht sie sich um und springt ins Becken.
Im Licht der Fackeln beobachte ich, wie sie nach unten taucht.
Durands Leiche ist bereits in der Tiefe verschwunden.
Ich strecke die Hand ins Wasser, und fast sofort treffen die Finger auf Stein.
Das Becken ist nur zehn Zentimeter tief.
Der Kontakt mit meiner Hand hat seine Realität wiederhergestellt. Und doch … Die Illusion hat einen Menschen verschlungen.
Sprich mit mir.
Die Stimme des Patriarchen ist müde. Aber sie wird deutlicher, je mehr sich die grässliche Wunde am Hals schließt.
»Du hast mir das Leben gerettet.«
Das war das Mindeste, was ich tun konnte.
»Aber ich habe deine Verletzung gesehen. So etwas kann man unmöglich überleben …«
Was du gesehen hast, ist möglich. Du hast es gesehen. Es ist geschehen. Es war möglich.
»Ich verstehe nicht, was du bist. Lebst du? Bist du ein Geist?«
Ich bin, was ich bin. Berühre mich.
Ich strecke die Hand nach seiner Brust aus.
Die Finger dringen in den Körper ein, ohne auf Widerstand zu stoßen. Ich spüre nur ein leichtes Kribbeln, mehr nicht.
Viele Sterne am Himmel sind seit Millionen von Jahren tot. Ihr Licht ist das Licht von toten Sternen.
»Seit zwanzig Jahren sehe ich keine Sterne am Himmel.«
Versuche sie dir vorzustellen. Der Himmel zeigt die Realität. Er zeigt dir eine Wirklichkeit, die aus Licht besteht, das viele Jahre unterwegs war, bevor es uns erreichte. Jeder Lichtpunkt, jeder Stern, verkörpert eine andere Zeit. Meine Welt ist ähnlich beschaffen. Die Materie ist nur eine Phase des Lebens, und nicht einmal die wichtigste. Du musst Abstand von den Dingen gewinnen, um sie deutlicher zu sehen. Oder wenn du sie ändern willst …
Langsam kommt eine Gestalt aus den Tiefen des Beckens, von Binden oder Schleiern umhüllt, die weiß durchs Wasser gleiten.
Alessia ist das schönste Geschenk, das ich Venedig machen konnte. Und gleichzeitig ist sie ein Geschenk der Stadt für mich. Sie starb jung, aber ihre Schönheit hat sich der Stadt eingeprägt. Es war leicht, sie hierher zu bringen. Sie ist ein prächtiges Geschöpf.
Legion, der dunkle Patriarch, steht jetzt neben mir. Sein glatter Leib, der wie Plastik aussieht, weist nicht die geringste Verletzung auf.
Am Rand des Beckens sinkt er auf ein Knie, streckt
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