Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
der anderen Männer. Ihre Gläser sind zerkratzt, und sie scheint ein ganzes Stück älter zu sein als die von Bune oder Hauptmann Durand. Aber sie erfüllt ihren Zweck, als das Licht der Taschenlampen plötzlich ganz verschwindet und die Dunkelheit zurückkehrt.
Die drei Wesen vor mir scheinen plötzlich von innen heraus zu leuchten. Das Nachtsichtgerät verwandelt die Finsternis in einen grünlichen Nebel, und die drei Gestalten vor mir wirken darin wie Ansammlungen von Ektoplasma. Auf diese Weise sehen sie noch grässlicher aus, wie die lebenden Toten der alten Filme. Sie sind langsam, aber nicht immer – manchmal geht ein Ruck durch sie, und dann bewegen sie sich mit animalischer Schnelligkeit. Doch sind sie keine Tiere, sondern Menschen. Schrecklich veränderte, mutierte Menschen. Der Geruch von faulem Fleisch erreicht mich sogar durch die Maske.
Keiner von ihnen ist bewaffnet. Vorsichtig kommen sie näher. Sie fürchten mich, mein Messer. Irgendwie wissen sie, dass ich bewaffnet bin. Aufmerksam behalten sie mich im Auge, und mir wird klar: Sie können im Dunkeln sehen.
Einer von ihnen springt vor und versucht, mich zu überrumpeln. Seine Hand – eine Klaue – trifft mich am Arm, und jäher Schmerz durchzuckt mich. Weitere Hände kommen heran, stoßen mich hin und her. Ich reagiere instinktiv und stoße das Messer nach vorn, bohre es in Fleisch, in einen Arm. Blut quillt aus der Wunde, bildet Flecken aus Licht an der zurückweichenden Silhouette. Ich stoße erneut zu, und dann noch einmal. Ein Schritt nach vorn, dann ein weiterer. Es fällt mir jetzt leichter, das Messer mit der langen Klinge zu verwenden. Mehrmals trifft sie etwas Lebendiges, und eine der drei Gestalten geht zu Boden, kriecht dort wie eine Schlange. Etwas durchdringt meine Kleidung und kratzt mir über den Hals. Ich stoße noch einmal mit dem Messer zu, in Schulterhöhe, höre ein Knurren und sehe, wie der zweite Gegner zu Boden geht. Jetzt bin ich der Jäger. Die dritte Kreatur zieht sich hastig zurück, und ich folge ihr, stapfe tollpatschig wie ein Bär durch den Schnee. Ich erreiche das Wesen und bringe es – ohne zu wissen, was ich tue – zu Fall. Mehrmals ramme ich das Messer in den Rücken, höre Schreie und glaube zunächst, dass sie von dem Geschöpf stammen. Doch dann wird mir klar: Ich bin es, der diese wilden Schreie ausstößt.
Ich drehe mich um, bereit, den Kampf fortzusetzen. Eine Kreatur bewegt sich, rollt über den Boden. Ich gebe ihr einen Tritt an den Kopf. Es knackt, und das Wesen rührt sich nicht mehr.
Ich halte das Messer in der rechten Hand, gebückt und schwer atmend. Das Visier des Nachtsichtgeräts beschlägt. Ich reiße es beiseite, und nur einen Moment später erstrahlt das Licht von sechs Taschenlampen. Plötzlich sehe ich alles mit gnadenloser Deutlichkeit.
Drei Körper liegen vor mir. Blut gibt dem Schnee die Farbe von Erdbeereis. Eines der Geschöpfe bewegt sich. Ein Arm zuckt, dann ein Bein – offenbar kommt das Wesen wieder zu sich.
Ein Schuss knallt, und der Kopf der Kreatur platzt auseinander. Mehrere Gestalten springen in die Grube.
»Komm, Pfaffe. Nach oben.«
Bune streckt mir die Hand entgegen.
»Du hast die Prüfung bestanden, Pfaffe. Komm schon. Oder willst du hier unten bleiben, bei diesen Eiterbeuteln?«
Ich starre erschüttert auf die drei Toten. Ihre Gesichter sind angeschwollen und voller Geschwüre. Die langen, krummen Fingernägel sehen aus wie Krallen.
»Was … was sind das für Geschöpfe?«, bringe ich hervor.
Bune zuckt mit den Schultern.
»Mit den Zombies in den Filmen haben sie nichts zu tun. Sie leben. Leute, die in den Ruinen hausen. Plünderer. Vollkommen verstrahlt. Sieh dir nur die Gesichter an. Und diese sind sogar noch einigermaßen frisch. Du müsstest mal die faulen sehen. Die ähneln lebenden Toten.«
Er schiebt mich in Richtung einer Eisenleiter, die in einer Höhe von etwa zwei Metern an der mit verdreckten blauen Kacheln bedeckten Wand angebracht ist. Ohne sichtliche Anstrengung hebt er mich hoch, bis ich die Leiter zu fassen bekomme. Vier Arme helfen mir aus der Grube.
An ihrem Rand drehe ich mich um.
Bune ist zur anderen Seite gegangen, schnauft wie ein Pferd und nimmt Anlauf. Er rennt durch den Schnee, springt anderthalb Meter vor der Treppe und erreicht die erste Sprosse. Gelenkig wie ein Affe klettert er hoch, steht dann breitbeinig vor mir und grinst.
»Bitka!«, ruft er. »Sieh nach, ob sich der Pfaffe in die Hose gemacht hat.«
Der Funker lacht
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