Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
weiter. Hinter mir verklangen die Schreie, und der Mann kam wieder auf die Beine.
Der Gestank verfolgte mich noch lange.
Den gleichen Gestank nehme ich auch jetzt wahr, und er kann nicht aus einem offenen Auto kommen, denn die sind unter Schnee begraben.
Er haftet den Männern an, mit denen ich unterwegs bin.
Wir wandern durch einen gewaltigen Friedhof.
Nach meinem Gefühl sind wir bereits zwei Stunden unterwegs, doch die Uhr behauptet, dass nicht mehr als dreißig Minuten vergangen sind.
Die Straßen am Stadtrand sind voll. Während der ersten Tage haben viele versucht, Rom zu verlassen. Manchmal stoßen wir auf Zeugnisse von Massenunfällen: Dutzende von Autos, die sich ineinander verkeilt haben. Der Schnee liegt wie ein großes Leichentuch darauf, und was sich darunter befindet, bleibt größtenteils verborgen. Nur ab und zu tauchen im Schein der Taschenlampen Einzelheiten auf. Der Wind ist so stark, dass er uns manchmal wie mit einer großen Hand von einer Straßenseite zur anderen drückt. Oft wird das Schneegestöber so dicht, dass ich kaum mehr etwas sehe.
Ich stoße fast gegen die erste Mauer, der wir begegnen. Sie gehört zu einem alten Backsteingebäude.
Die Männer bleiben stehen.
Einer klopft mir auf die Schulter, und ich zucke zusammen.
Durand schreit fast, um das Heulen des Winds zu übertönen.
Mit dem Zeigefinger klopft er mir auf die Brust.
»Das Dosimeter alle fünf Minuten kontrollieren. Haben Sie einen Blick darauf geworfen?«
»Nein.«
»Zeigen Sie mal.«
Der Hauptmann hebt die Plastikabdeckung an meiner linken Parkatasche.
»Keine Sorge«, sagt er schließlich. »Alles im grünen Bereich. Denken Sie daran: alle fünf Minuten.«
»Sie wissen hoffentlich, wohin wir gehen.«
»Ja. Das Ziel befindet sich direkt vor uns. Es ist nicht mehr weit.«
Ich nicke.
Durand zögert und scheint noch etwas sagen zu wollen. Er wirkt ein wenig verlegen.
»Wenn ich Sie um einen Gefallen bitten darf, Pater …«
»Ja?«
»Könnten Sie für uns beten? Ich meine, wir sind keine besonders guten Christen, aber ein Gebet kann sicher nicht schaden.«
Ich sehe ihn an.
Erneut ein Nicken.
»In Ordnung.«
Ich breite die Arme aus und schließe die Augen. Schneeflocken treffen mein Gesicht und schmelzen, sind wie Tränen auf meiner Wange. »Herr, allmächtiger Vater, wir vertrauen unser Leben Deinem Erbarmen an. Bitte schütze uns, während wir uns anschicken, das dunkle Tal des Todes zu betreten. Schenke uns Deinen Segen, und wecke in uns die Kraft Deines starken Arms. Darum bitten wir Dich, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.«
»Amen«, murmeln die Männer um mich herum. Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich das unbekümmerte und spöttische Gesicht von Karl Bune.
»Schöne Worte, Pater. Wirklich nicht übel. Ich muss zugeben, ich hab mir an die Eier gefasst, als Sie das Tal des Todes erwähnten. Aber insgesamt war es kein schlechtes Gebet.«
Durand schüttelt den Kopf. »Machen wir uns wieder auf den Weg. Danke, Pater Daniels.«
»Nichts zu danken.«
»Und du, Bune … Behalt deine Meinungen für dich. Sie interessieren ohnehin niemanden.«
Der Hauptmann ergreift wieder seine Maschinenpistole.
»Gehen wir.«
Wir stapfen an der rußgeschwärzten Mauer entlang.
»Wohin gehen wir?«, frage ich.
»Wir verschaffen uns ein bisschen Bewegung, weil das gut für die Gesundheit ist«, sagt Bune und lacht schallend.
Dann wendet er sich nach rechts, wobei das Licht seiner Taschenlampe über ein weiteres zugeschneites Auto streicht. Ein weiteres Grab.
Kurze Zeit später ist er im Schneegestöber verschwunden. Ohne ein Wort nimmt Diop seinen Platz rechts von mir ein. Mit dem Tuch, das er sich um den Kopf geschlungen hat, sieht er aus wie ein Tuareg.
Ich fühle mich alles andere als ruhig inmitten dieser Männer, von denen ich noch nicht weiß, ob ich ihnen trauen kann. Die Achtlosigkeit, mit der sie dem Unbekannten begegnen, bereitet mir Unbehagen. Allein die Vorstellung, hier unterwegs und den Giften und Gefahren der Nacht ausgesetzt zu sein, würde jedem normalen Menschen Albträume bescheren. Doch diese Soldaten, diese Söldner – denn nichts anderes sind sie – zeigen eine Gelassenheit, die etwas Absurdes hat.
Durand hat von einem nahen Ziel gesprochen, aber wir sind ziemlich lange unterwegs. Wie ein Wurm aus Licht kriechen wir durch die Eingeweide der Finsternis. Eine weitere halbe Stunde marschieren wir durch die Dunkelheit, wobei sich jeder vom Licht des
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