Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
noch Schrott übrig. Wir nehmen bei jeder Mission neue.«
»Und was sind das für Missionen?«
»Oh, dies und das. Sehen wir uns mal diesen Haken an. Ja, ich glaube, das könnte klappen.«
»Da wir eine ganze Weile eng beisammen sind, könnten wir uns eigentlich duzen.«
»Einverstanden, Pater. Machen Sie mir nur keine Avancen.«
Er zwinkert wie ein Junge, und dadurch sieht sein zerfurchtes Gesicht plötzlich ganz anders aus.
Ich erwidere das Lächeln.
»Wenn ich um die Aufmerksamkeit der Herren bitten darf!«, ruft Hauptmann Durand. »In fünf Minuten brechen wir auf. Folgt dem ersten Schlitten, und denkt daran, dass wir die Stazione Aurelia vor dem Morgengrauen erreichen müssen. Vorher machen wir Zwischenstation bei der Metro, bei der Haltestelle EUR . Die Navis der Schlitten sind bereits auf die Ziele programmiert. Denkt daran: Kehrt zur Basis zurück, wenn ihr euch verirrt. Sucht nicht nach uns, verstanden? Wir dürfen keine Zeit verlieren und können für niemanden anhalten. Ist das klar?«
»Ja«, antworten die Männer wie aus einem Mund. Sonderlich begeistert klingt es nicht.
»Moment«, sage ich. »Von der Stazione Aurelia höre ich jetzt zum ersten Mal. Was hat es damit auf sich?«
»Das werden Sie vor Tagesanbruch feststellen.«
Die römische Metropolitana ist natürlich die erste Zuflucht für die Bevölkerung der Stadt gewesen, als immer mehr Menschen der Radioaktivität zum Opfer fielen. Ich denke, Ähnliches hat sich auch in anderen Teilen der Welt abgespielt, obwohl wir das nie erfahren werden. Doch im Gegensatz zu den U-Bahnen zum Beispiel von Moskau oder London verläuft die Metro von Rom nicht besonders tief und bietet deshalb nur wenig Schutz. Für viele Menschen war sie die erste Etappe auf der Suche nach Rettung, und für Tausende wurde daraus ein Todesmarsch.
Wir wissen nicht, wie viele Leute in den unterirdischen Tunneln leben. Nur einige wenige Stationen sind uns bekannt, jene, die dem Neuen Vatikan am nächsten sind. Sie haben unsere Autorität nie anerkannt. Wenn sie uns respektieren, so nur wegen unserer militärischen Stärke und weil wir in dem Ruf stehen, erbarmungslos zu sein. Vermutlich würden sie mit Freuden die Gelegenheit nutzen, uns an die Gurgel zu gehen.
Die drei Stationen Anagnina , Cinecittà und Subaugusta der Linie A bilden eine lockere Gemeinschaft, mit der es allerdings nicht zum Besten steht. Das ist zumindest der Eindruck, den der vatikanische Geheimdienst gewonnen hat, vielleicht der einzige auf der ganzen Welt, der noch existiert. Die Stadt nimmt jener Gemeinschaft gegenüber eine recht pragmatische Haltung ein, in der es vor allem um militärische Schlagkraft und die Möglichkeit einer Annektierung geht. Irgendwann gelangen die Familien vielleicht zu dem Schluss, dass es die Mühe lohnt, und dann werden die drei Stationen ihre Unabhängigkeit verlieren. Für sich genommen sind sie nicht sonderlich interessant, aber die Linie A führt direkt ins Zentrum von Rom, durch Bereiche der Stadt mit vielen Geschäften und Materialdepots. Die Kontrolle über sie könnte strategische Bedeutung bekommen, wenn der Stadtrat beschließt, seinen Einflussbereich auszudehnen.
Doch die Haltestelle, die unser erstes Ziel ist, gehört nicht zu den drei genannten Stationen. Durand zeigt mir die Metro-Karte und deutet auf die Linie B.
EUR Fermi.
»Wieso geht es dorthin?«, frage ich.
Er sieht mich an und lächelt.
»Auch das werden Sie vor Tagesanbruch herausfinden.«
Bune und Diop ziehen den verrosteten Rollladen hoch und versuchen dabei, nicht zu laut zu sein. Eigentlich hätten sie sich die Mühe sparen können, denn die Motoren der vier ausgewählten Schlitten laufen bereits und veranstalten einen ziemlichen Lärm. Die Scheinwerfer sind ausgeschaltet. Es fällt etwas Licht nach draußen, doch jenseits davon ist es stockfinster.
Diop und Bune eilen zu ihrem Schlitten, und das Heulen der Motoren wird noch lauter.
Durand fährt als Erster los; ich kann nicht erkennen, wer hinter ihm sitzt. Ihm folgt Diop – auf der rechten Seite schießt er an meinem Schlitten vorbei. Bune hält sich an ihm fest, schreit wie ein Cowboy, der ein Pferd zureitet, und schwenkt dabei seinen Helm.
Bitka klopft mir an die Seite. Ich gebe Gas und fahre ebenfalls los.
Der Motorschlitten scheint unter mir hervorschnellen zu wollen – wie ein lebendes Geschöpf mit eigenem Willen wirft er sich nach vorn. Praktisch von einem Augenblick zum anderen sind wir draußen, und die Dunkelheit nimmt
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