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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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ist er nur klein. Dass er stämmig wirkt, könnte an der dicken Kleidung liegen, mit der er sich vor der sibirischen Kälte schützt. »Sibirisch« ist ein weiteres Wort aus der Vergangenheit. Wir wissen nicht, wie es heute in Sibirien aussieht; vielleicht ist es dort wärmer als in Rom.
    Die Gestalt kommt mit kleinen Schritten näher, als hätte sie Angst, im Schnee zu versinken. Vor Durand bleibt sie stehen. Eine schwarze Maske bedeckt das Gesicht, und die Augen verbergen sich hinter einer Brille, in deren Gläsern sich Durand spiegelt. Der Fremde streckt die rechte Hand aus, und Durand ergreift sie. Sie sprechen leise miteinander, und ihre Worte verlieren sich im Rauschen des Winds. Schließlich winkt die kleine Gestalt, und vier Männer mit Gewehren auf dem Rücken laufen auf uns zu. Mit langen Stangen heben sie die großen Stacheldrahtbündel an und schieben sie zur Seite, wodurch eine mehrere Meter breite Öffnung in der Barriere entsteht.
    Wir fahren mit den Motorschlitten langsam durch die Lücke in der Absperrung.
    Hinter uns werden die beiden Stacheldrahtbündel wieder zusammengeschoben und mit einer Kette verbunden.
    Einer der Fremden bedeutet uns, ihm zu folgen. Vor uns schiebt sich ein Teil der Wand beiseite, und zum Vorschein kommt ein grauer, leerer Raum, von Leuchtstoffröhren erhellt.
    Wir stellen die Schlitten in der Mitte der Station ab, und das Tor schließt sich mit einem metallenen Donnern. Der Mann nimmt Helm und Atemmaske ab, schüttelt dann sein langes Haar.
    Es ist gar kein Mann, sondern eine Frau.
    Ohne die Narbe auf der linken Wange wäre sie schön gewesen, sogar wunderschön . Das Gesicht ist relativ sauber, nach den heutigen Maßstäben, und hohlwangig, fast ausgezehrt – der Eindruck einer untersetzten Gestalt geht also tatsächlich auf die Kleidung zurück. In dem Gesicht fallen vor allem die hellblauen Augen auf. Eine aristokratisch wirkende Frau, schön und intelligent.
    Sie schlüpft aus ihrem unförmigen Overall, wie eine Puppe aus ihrem Kokon, lächelt und umarmt Durand so fest, als wollte sie ihn zerdrücken. Dann küssen sie sich, und ihre Münder scheinen dabei zu verschmelzen.
    Verlegen wende ich den Blick ab. Meine Reaktion entgeht den Männern von der Schweizergarde nicht; sie lachen.
    Durand sieht mich strahlend an.
    »Pater Daniels, ich möchte Ihnen meine Gefährtin vorstellen, Doktor Adèle Lombard. Adèle, das ist Pater John Daniels von der Heiligen Inquisition.«
    »So nennen wir sie nicht mehr …«, beginne ich, aber Durand schneidet mir das Wort ab.
    »Er ist im Auftrag von Kardinal Albani unterwegs«, fügt der Hauptmann hinzu. Die Frau scheint aufrichtig beeindruckt zu sein.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagt sie und reicht mir die Hand. Ich schüttele sie und merke dabei, wie kalt ihre Finger sind, obwohl sie Handschuhe getragen hat. »Sie können sich wahrscheinlich denken, dass wir nicht oft Besuch bekommen.«
    »Seit sechs Monaten hat der Hauptmann seine Schöne nicht gesehen.« Bune kichert und macht eine obszöne Geste mit den Fingern. »Er hat ihr ein schönes Geschenk mitgebracht. Was Funkelndes … Oh, wie es funkelt …«
    »Halt die Klappe, Bune«, brummt Durand.
    Bune gestikuliert entschuldigend, verbeugt sich spöttisch und weicht zurück.
    »Willkommen in der Stazione Aurelia, Pater Daniels«, sagt Doktor Lombard. »Es ist eine Ehre und Freude, ein Mitglied der Kirche bei uns zu haben.«
    Jemand lacht leise und sagt gerade laut genug: »Noch jemand mit Glied.«
    »Viel zu bieten haben wir nicht«, sagt Lombard. »Aber Sie bekommen ein sauberes Bett und ein ordentliches Essen.«
    »Anschließend werden wir für eine ganze Weile auf beides verzichten müssen«, kommentiert Durand und zieht die dicke Jacke aus.
    »Außerdem können Sie bei uns duschen, wenn auch nicht heiß. Lauwarm muss genügen.«
    »Das wäre wunderbar.«
    »Kann ich mir denken.«
    »Bitte entschuldigen Sie den Geruch. Ich …«
    »Daran sind wir gewöhnt, Pater. Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.«
    Es ist lange her, dass ich in einem richtigen Zimmer geschlafen habe. Und vor allem allein, ohne das Schnarchen und asthmatische Keuchen von Maxim oder den Geruch unserer zum Trocknen aufgehängten Unterwäsche. Der Raum ist groß und weiß. Ein militärisches Klappbett steht in der Mitte, und aus reiner Angewohnheit schiebe ich es an die rechte Wand.
    Fenster gibt es nicht. Das Licht kommt von einem Plastik-Rechteck an der Decke. Ein Spind aus Metall steht auf der einen

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