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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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den Museen und habe nie die Zeit gefunden, mir diese Fresken richtig anzusehen«, sagte der alte Aufseher.
    Ich schmunzelte.
    Ich kam mir vor wie ein Stein am Grund eines Flusses, und das Wasser des Flusses bestand aus Bildern, die an mir vorbeiströmten, von einer seit Jahrhunderten toten Hand gemalt, aber noch immer voller Leben.
    »Stört es Sie, wenn ich das Radio einschalte?«, fragte der Aufseher.
    »Ja«, sagte ich und bereute es fast sofort. Immerhin hatte der Alte mir gestattet, auf dem Boden liegen zu bleiben.
    »Na schön. Schalten Sie es ein.«
    Der Aufseher war mir dankbar. »Wissen Sie, ich habe niemanden mehr auf der Welt. Das heißt, ich habe einen Sohn, aber eigentlich existiert er gar nicht für mich, denn er hat sich nie um mich gekümmert. Und seine arme Mutter, ach, was hat sie seinetwegen gelitten …«
    »Das mit dem Radio ist in Ordnung«, sagte ich. »Aber ich möchte nicht reden.«
    Er verstand. Ich hatte es auf Französisch gesagt, aber er verstand. Wortlos schaltete er das Radio ein und drehte die Lautstärke herunter.
    Mein Italienisch war gut, wenn auch nicht so gut wie jetzt. Ob ich wollte oder nicht: Ich hörte die aus dem Radio kommenden Stimmen, die von den Konsequenzen des »diplomatischen Zwischenfalls« sprachen, wie man ihn noch nannte. Die beiden beteiligten Supermächte forderten sich gegenseitig heraus, und keine Seite schien bereit zu sein, einen Rückzieher zu machen.
    Es war ein tödliches Spiel.
    Nach und nach wurden die Stimmen aus dem Radio für mich ein dumpfes Hintergrundrauschen, wie die Musik der Sterne, von einem Radioteleskop empfangen.
    Als die Bombe explodierte, wölbte sich der Boden unter mir wie der Rücken eines Tiers. Dreimal geschah das, und dann beruhigte er sich wieder. Doch in der Decke bildeten sich Risse.
    Ein gewaltiges Licht – wie soll man es anders nennen? –, ein absolutes Licht kam durch die Fenster und legte ein strahlendes, übernatürliches Weiß auf die Farben der Fresken.
    Und dann flog ich Gott entgegen.
    Das dachte ich, denn die Gestalt des Schöpfers wurde immer größer, näherte sich immer mehr.
    Aber es war die Decke mit Michelangelos Meisterwerk, die auf mich herabstürzte. Ich sah es wie in Zeitlupe: das immer größer werdende Gesicht Gottes, während Adam an Ort und Stelle blieb, sich dadurch immer weiter vom Schöpfer entfernte.
    Gott fiel neben mich. Ein Steinblock, zehn Zentimeter hoch und zwei Meter lang.
    Er zerschmetterte den Aufseher.
    Blut spritzte unter dem schweren Stein hervor.
    Ich hatte den Mund voller Staub und Putz.
    Mühsam kam ich auf die Beine und sah mich ungläubig um. Das Gewölbe der Kapelle existierte nicht mehr. Das Licht, das mich traf, stammte von der Sonne. Die Druckwelle der Explosion hatte die Decke fast ganz fortgerissen. Nur ein Teil von ihr war übrig geblieben, gehalten von was weiß ich. Und von all den Bildern existierte nur noch Adam. Dieses Bild war fast ganz intakt geblieben; es fehlte allein der Gott entgegengestreckte Zeigefinger.
    Der Arm des Schöpfers endete am Handgelenk.
    Ich klopfte mir das Hemd ab. Eine lächerliche Geste. Ich war voller Staub und sah vermutlich wie ein Geist aus. Und wie Geister erschienen mir die blassen Männer, die durch die Tür zu den Stanzen des Raffael kamen.
    Von zwei Bewaffneten begleitet, betrat ein dicker Priester mit kleinen, zögerlichen Schritten die Kapelle.
    Er riss die Augen auf, als er die Zerstörung sah, und bekreuzigte sich.
    Dann begann er zu weinen. Er weinte wie eine Frau oder ein Kind. Es war die erste und vielleicht auch letzte Klage über den Verlust von Michelangelos Meisterwerk.
    Er machte einige Schritte zur Mitte der Kapelle, hin zum Bild des Jüngsten Gerichts, durch das sich ein langer breiter Riss zog.
    Dort sah er mich und bedeutete den beiden Bewaffneten, ihre automatischen Pistolen sinken zu lassen.
    »Wer bist du, Sohn?«, fragte er.
    Ich gab keine Antwort.
    »Wir müssen gehen, Eminenz.«
    Kardinal Albani winkte verärgert.
    »Diesem armen Mann geht es nicht gut. Er braucht Hilfe. Wir nehmen ihn mit.«
    »Aber wir kennen ihn nicht einmal, Eminenz. Er könnte …«
    »Ich weiß, wer er ist. Ein Mann, der Hilfe braucht. Das genügt mir, Hauptmann.«
    Hauptmann.
    Er hieß Tommaso Guidi und war der Mann, dessen Platz ich zwei Jahre später einnahm. Weil er Selbstmord beging, indem er sich eine Kugel in den Kopf jagte. Er hinterließ mir einen Brief mit detaillierten Hinweisen, die das Kommando über jene kleine Gruppe von

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