Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
über den Stoppelbart.
Dann formen seine Lippen ein Lächeln, das nichts Gutes verheißt.
»Mir scheint, deine Mission bringt Pech, Priester.«
»Was soll das heißen?«
»Es soll heißen: Wo auch immer wir aufkreuzen, hält der Tod Einzug.«
Ich glaube, meinen Ohren nicht trauen zu können. »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich schuld daran bin …«
»Ich weiß nur eins: Wir lassen überall Tote hinter uns zurück. So was passiert mir zum ersten Mal.«
»Mir scheint, dass der Tod in diesem Fall vor uns da war.«
Durand schließt die Augen und scheint über meine Worte nachzudenken.
»Weiß jemand in Rom von unserer Mission, vom Kardinal einmal abgesehen?«
Ich überlege.
»Nein.«
»Bist du sicher?«
Plötzlich fällt mir etwas ein.
Maxim.
Mein Herz schlägt schneller.
Der Blick des Hauptmanns bekommt etwas Stechendes.
»Ja«, sage ich und sehe ihm dabei in die Augen. »Ja, ich bin sicher.«
Durand mustert mich noch einige Sekunden lang, und es ist nur das Brummen des Motors zu hören. Es scheint immer lauter zu werden, während ich auf die Antwort des Hauptmanns warte.
»In Ordnung. Ich will dir glauben. Aber eines steht fest: Zwei Zufälle dieser Art reichen mir.«
Wir steigen aus. Die Sonne ist untergegangen, und es wird immer dunkler. Wir bewegen uns im Licht der Scheinwerfer. Die Fassaden der Häuser werden zu dunklen Klippen, die bedrohlich neben uns aufragen. Das Licht von Taschenlampen kommt aus der Kirche.
Durand geht voraus, und ich folge ihm zur Tür mit den beiden Marmorsäulen. Wir treten ein.
Adèles Plastikjacke ist voller Blut, wie auch ihre Handschuhe. Als sie Durand bemerkt, legt sie ein großes Messer beiseite, steht auf und wendet sich von der Leiche ab, die sie gerade untersucht hat.
Sie tritt vor den Hauptmann und schüttelt den Kopf.
»Hast du herausgefunden, was geschehen ist?«, fragt Durand. Seine Stimme klingt erstaunlich sanft.
»Ja«, erwidert Adèle. Mehr sagt sie nicht.
»Bitte erklär es mir.«
Die junge Frau seufzt.
»Es ist nicht schnell gegangen. Zuerst waren die Kinder an der Reihe. Jedes von ihnen weist zahlreiche Spuren von Gewaltanwendung auf, und zwar nicht nur von einer Person. Es gab mehrere Täter, wie auch bei den Erwachsenen.«
Ich starre bestürzt auf die an die Wand genagelten Kinder, und dann geht mein Blick zu den Leichen der Erwachsenen, die wie Schmuck an der höllischen Version eines Weihnachtsbaums hängen.
»Auch sie sind vergewaltigt worden«, fährt Adèle fort. »Besser gesagt: Sie hatten Geschlechtsverkehr, aber keinen gewaltsamen. Darauf deutet alles hin. Obwohl ich hier natürlich keine gründliche Autopsie vornehmen kann, um Gewissheit zu erlangen.«
»Wie viele sind es?«
»Ich verstehe nicht.«
»Wer dies angerichtet hat …«, sagt Durand. »Wie viele könnten es gewesen sein?«
Adèle sieht ihn einige Sekunden lang an, bevor sie antwortet. »Niemand. Sie sind es selbst gewesen. Sie haben die Kinder vergewaltigt und sie getötet. Sie hatten Geschlechtsverkehr miteinander und haben sich dann selbst gekreuzigt.«
»Unmöglich.«
»Es dürfte recht schwer gewesen sein. Vor allem als nur noch wenige übrig blieben. Der Letzte dort oben hat eine Hand frei, siehst du? Damit hat er sich selbst kastriert. Mit dem Messer dort.«
Adèles Blick streift durch die Kirche. In den Augen liegt ein kühler Glanz, aber die Lippen zittern.
»Wenn ich an all die Schreie denke … Aber vielleicht ist es auch still geblieben. Vielleicht sind sie lautlos gestorben. Nur sie wissen es …«
»Willst damit sagen …«
»Ich will damit sagen, dass wir es nicht mit Mord zu tun haben, sondern mit einer Art … Opfer. Sie haben diese Pyramide aus Kirchenbänken gebaut und sich anschließend daran kreuzigen lassen, mit Nägeln durch Hände und Füße. Anschließend wurden die Genitalien verstümmelt und die Brüste abgeschnitten. Der Letzte von ihnen musste das selbst erledigen.«
Ich sehe mich doppelt schockiert um. Die Hinweise sind deutlich zu erkennen, wenn man weiß, wonach es Ausschau zu halten gilt. Adèle Lombard hat recht.
»Aber warum?«, bringe ich mühsam hervor.
Zorn blitzt in Adèles Augen, als sie mich ansieht. »Warum? Warum, fragst du? Sag du es mir. Du bist hier der Priester. Es ist dein Gott, der Menschenopfer verlangt, nicht der meine.«
»Meiner nicht.«
Adèle ballt die Faust, schlägt zu und trifft mich an der Schulter.
»Ach, sei still, Priester!«, ruft sie. »Was weißt du schon?«
Und dann läuft sie
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