Die Yoga-Kriegerin
das Herz und die Leber und überließen sie als Opfergabe meinen Adlern und Krähen am Futterbaum, der sich unten am Fluss befand, wo sie gestanden hatte. Sie hatte alte Schussverletzungen. Ihr Körper war so infiziert, er war voller Eiter. Ihr Tod war eine Opfergabe ihrer Ma gie, aber nicht ihres Fleisches. Wir brachten es in Säcken zur Müllkippe, das Fell gaben wir zum Gerben. Ich nahm ihren Kopf und steckte ihn in die Astgabel eines Baumes nahe dem Bach und bat die Krabbeltiere, dieses Medizinwesen für mich zu reinigen. Als schließ lich der Frühling kam, ging ich zu diesem Baum, aber da war kein Totenschädel mehr. Dann blickte ich nach unten auf meine Füße und sah einen Teil eines Totenschädels mit Geweih und war verwundert über diese Verwandlung: Ich hatte ihren Totenschädel dort als Geschenk hinterlassen; was ich jedoch zurückbekam, war ein Teil eines Totenschädels mit Geweih. Heute hängt er bei mir zu Hause in Richtung Osten in meinem Medizinraum , in meinem kleinen Nest in neun Metern Höhe über dem Boden. Dieses mächtige Medizingeschenk funktioniert auch heute noch für mich.
Irgendwann danach besuchten wir Tom Yellowtail, einen alten Me dizinmann in Montana. Ich erkundigte mich bei ihm nach der Hirschkuh und dem Namen Shy Ayla . »Was hatte das zu bedeuten? Wessen Name war das?« Tom antwortete: »Nun, sie suchte nicht nach einem Namen, nicht wahr? Wer war denn auf der Suche nach einem Namen?« Ich erfuhr von ein paar anderen Leuten, dass Shy ayla der Lakota-Name für die Cheyenne war. Es bedeutet »Schild ihres Volkes«.
Und schon wieder wurde meine alte Programmierung, dass ich nichts wert sei, zunichtegemacht. Ich war noch nicht vollkommen bereit dazu, mich von diesen einengenden alten Überzeugungen zu befreien, aber jetzt war es eher wie ein Netz aus Schatten und kein massives Gefängnis mehr. Diese Hirschkuh gab mir ihren Tod, ihr Fell und meinen Medizinnamen; was für wunderbare Geschenke.
Es lag eine Veränderung in der Luft. Eine meiner Freundinnen, Madaline Blau, kam auf Besuch ins Reservat, und wir vollzogen am Silvesterabend an jemandem ein Heilritual. Es war ein schlimmer Abend für diesen Mann gewesen; er hatte verschriebene Medika mente zusammen mit Alkohol eingenommen. Sein Blutdruck schoss in die Höhe. Wie durch ein Wunder verbesserte sich sein Zustand nach unserem Heilritual. Plötzlich gab es Gerede – aber nicht: He, diese Leute haben diesem Kerl das Leben gerettet! Sondern: Oh nein, diese Frau ist eine Hexe! Dann steckte jemand einen Rinderschädel auf einen der Bäume auf unserem Land und zündete ihn an. Eine Warnung an alle – Bleibt fern von der Hexe! Eine Warnung an mich: Verschwinde! Wir wollen deine böse Magie nicht. Es war an der Zeit, meine Lage zu überdenken. Ich realisierte, dass Heyoka mir das, was ich am meisten von ihm brauchte, nicht geben konnte. Ich hatte so viel gelernt in der Zeit mit ihm, und es war eine wichtige und oft heilige Zeit für mich gewesen, aber nun war es an der Zeit zu gehen.
Viel früher schon hatte ich an einer weiteren Perlenstickerei zu ar beiten begonnen. Ich hatte das Gefühl, wenn ich sie fertiggestellt hätte, würde ich frei sein zu gehen. Es wäre mein Meisterstück – etwas, was ich ausdrücklich zu dem Zweck kreierte, mir Land zu kaufen – mit einem unglaublich anspruchsvollen Motiv: einem Appaloosa, der dem Betrachter entgegenblickt. Auf dieses Pferd stickte ich Hufabdrücke, Bänder und einen Blitz (für die Blitz- Medizin ); ich stickte eine Feder in seinen Schwanz und einen altmodischen Sattel auf seinen Rücken, mit einer purpurroten Decke, einem Gewehr und einem silbernen Krähenschild, um die Süße Medizin der Krähen zu symbolisieren, die ich im Reservat lieben gelernt hatte. Man sieht auch noch eine Gewitterwolke am Himmel, eine Regenwand, Blitze und ein Medizinrad, in dem eine Zeremonie stattfindet. Ich stickte eine Schale und eine Rauchwolke, die aus der Schale aufsteigt und sich in einen Drachen verwandelt. Meine Medizinpfeife liegt neben der Schale. Der äußere Rand des Rahmens besteht a us Wildfell zu Ehren der Medizin des Wildes . Ich nannte dieses Stück »Ceremony of Calling in the Dream« (Zeremonie zum Herbeirufen des Traums).
Die Perlen sind beinahe mikroskopisch klein; für dieses Meisterwerk aus winzig kleinen Perlen brauchte ich mehr als ein Jahr, doch wenn ich mir damit die Freiheit eines eigenen Landes kaufen konnte, war es das Opfer wert. Als ich die letzten Perlen hineinarbeitete,
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