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Die Yoga-Kriegerin

Die Yoga-Kriegerin

Titel: Die Yoga-Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana T. Forrest
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irgendwie in einem Bett. Ich war angekommen.
    Meine Yogalehrerausbildung auf der Rancho Rio Caliente war bis dahin der intensivste Monat meines Lebens, vor allem weil ich mich so lebendig fühlte und gleichzeitig eine so radikale Entgiftung durch machte. Eines Tages saß ich im Unterricht, als der Lehrer etwas über die Sutras herunterleierte, die heiligen Lehrsätze von Toten wie Bud­dha und Patanjali. (Ich habe niemals auch nur einen einzigen Vortrag über eine der weisen Frauen im Yoga gehört.) Während ich also tief im Lotussitz versenkt dasaß, war ich gleichzeitig amüsiert und beängstigt, zu beobachten, wie aus dem Boden Kletterpflanzen emporwuchsen und sich langsam um meine Schienbeine schlängelten, sich um meinen Rumpf rankten und meine Haut mit ihren spitzen Stacheln stachen. Ich schreckte nicht zurück, als Schlangen und haa rige, vogelgroße Taranteln über meine gekreuzten Beine scharenweise in meinen Schoß strömten. Es war eine ungewöhnliche Art, Selbstwertgefühl aufzubauen, während ich mich im kalten Entzug wand und das Zittern, das Frösteln und die Halluzinationen über stehen musste, aber eins kapierte ich: Wenn ich still sitzen und einfach nur beobachten konnte, wie all dieses unheimliche Zeugs über mich kroch, würde ich vielleicht sogar für dieses Yoga-Ding wie geschaffen sein. Das war die mächtigste Lektion über die Sutras, die ich je erlebt habe. Es könnte außerdem einer der Gründe sein, warum ich nie eine Stunde über die Sutras halte.
    Jeden Tag spürte ich ein bisschen mehr, wie durch den Entzug die Giftstoffe aus meinem Organismus heraussickerten. Eines Tages war ich im Zimmer einer anderen Schülerin und saß auf ihrem Bett, wäh rend sie sich fertig machte, damit wir zur Stunde gehen konnten. Ich blickte nach unten und sah einen kleinen weißen Skorpion, vielleicht etwas größer als zwei Zentimeter, der zwischen meinen Fin gern krabbelte. Ich dachte zunächst, der Entzug würde wieder seine sinnestäuschende Magie auffahren. Schau, wie gut ich darin geworden bin , sagte ich zu mir selbst. Es ist nur mehr ein kleines Spinnentier statt ganzer Scharen. Meine Freundin sah zu mir rüber und schrie. Ich war völlig aus der Fassung. Mein erster Gedanke war: Was tust du in meiner persönlichen Wahnvorstellung? Es war eine Kollision von zwei Welten. Ich bewegte meine Hand vom Skorpion weg, nur um sie zu beruhigen. Dann realisierte ich: Du heilige Scheiße – das war ein echter Skorpion!
    Unsere Yogalehrer ließen uns am letzten Tag eine Stunde unter richten. Die Yogalehrerausbilder teilten sich die Rancho Rio Caliente mit einer Gruppe, die ein Diätprogramm durchführte, einen Retreat mit strukturierten Mahlzeiten und Übungen. Ich entschloss mich, bei ihnen eine Einheit zu unterrichten, die ich selbst zusammengestellt hatte – obwohl ich schreckliche Angst davor hatte, denn meine Mutter und mein Bruder waren auch stark übergewichtig. Es war wie ein weiterer Klippensprung für mich – konnte ich mich meinen Horrorvorstellungen von diesen Frauen stellen und sie dazu bringen, sich von mir eine kostenlose Yogastunde geben zu lassen?
    Bei der Arbeit mit diesen Frauen lernte ich in nur vier Stunden mehr als in meiner gesamten Lehrerausbildung. Doch zuerst musste ich mein Ekelgefühl überwinden und mich zusammenreißen, damit ich meine Hände auf sie legen konnte und dabei nicht auf ihre Haare erbrach. Die fettleibigen Frauen hatten die gleichen Versagensängste und körperlichen Hemmungen wie ich. »Ich kann nicht«, hörte ich, als ich die Grundpositionen vorstellte. »Ich werde versagen, wenn ich es versuche, und dann hasse ich mich noch mehr. Warum bin ich so eine fette Kuh?« Ich wollte diese Frauen aus ihrer Selbstverachtung herausbekommen, also brachte ich ihnen bei, die Positionen aus ei­nem neuen Blickwinkel zu betrachten und sich zu fragen: Welchen Teil davon kann ich tun?
    Sie konnten den Warrior II nicht, also zeigte ich ihnen, wie sie ihre Oberschenkel auf Klappstühle abstützen konnten; danach funkti­onierte es prima. Sie lernten die Wand zu nutzen, um sich mit einem Teil ihres Gewichtes dort abzustützen. Ich brachte ihnen bei, ganz bei sich, in ihrem Körper, zu bleiben – aktive Füße, Ujjayi- Atmung –, obwohl ich nicht einmal wusste, wie ich in meinem eigenen Körper bleiben konnte. Sie waren zu einer ganzen Menge mehr in der Lage, als wir alle gedacht hatten; wir mussten nur kreativ werden. Und während ich daran arbeitete, ihre Einschränkungen

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