Die Zaehmung
mir.«
Liana kam ins Zimmer zurück.
Io lächelte sie an. »Verzeiht mir. Die letzten zwei Wochen sind nicht einfach für mich gewesen. Severn befand sich in einer fast unerträglichen Laune. Natürlich habe ich ihm gesagt, daß das alles ganz allein seine Schuld sei
— und wenn er wegen seines Bruders nicht so eifersüchtig auf Euch gewesen wäre, hätte Rogan niemals öffentlich erklärt, er hätte Euch nur Eures Geldes wegen geheiratet, und Ihr hättet nicht zu Eurem Münzschleier Zuflucht nehmen müssen.«
Liana lehnte sich zurück. »Richtig«, sagte sie und nahm wieder ihren Weinkelch vom Tisch. »Er sagte vor seinen Männern, daß er meine Häßlichkeit nicht ertragen könne.«
Iolanthe starrte die blonde Frau an. Soso, dachte sie, es war also nicht das Geld, das sie gewurmt hatte, vielmehr der Umstand, daß Rogan seine Frau ihres Aussehens wegen beleidigt hatte. Rogan und Severn waren so göttlich schöne Männer, daß es leicht einzusehen war, wie rasch eine Frau sich von ihnen eingeschüchtert fühlen konnte. Jeden Morgen studierte sie, Io, ja sich selbst im Spiegel und übte sich so lange im Lächeln, bis keine Fältchen mehr dabei entstanden. In ihrem Alter lebte sie ständig in der schrecklichen Angst, daß Severn sie eines Tages nicht mehr schön finden könne. Unvorstellbar, was für ein grauenhaftes Gefühl es wohl für sie wäre, wenn Severn ihr eines Tages sagte, er begehrte das Geld ihres Ehemannes, nicht ihre Person.
»Ich verstehe«, sagte Io schließlich.
»Ja«, sagte Liana, »und ich habe ebenfalls verstanden. Ich dachte, ich könnte ihn dazu bringen, daß er mich liebt. Ich dachte, ich könnte mich ihm unentbehrlich machen; aber mich hat er ja gar nicht haben wollen. Noch möchte mich irgendwer sonst hier haben. Es ist eine Ironie. Meine Stiefmutter versuchte mir das zu sagen; aber ich wollte nicht auf sie hören. Ich dachte, ich wüßte es besser als eine Frau, die schon zwei Ehemänner hatte. Sie hatte recht. Selbst meine Kammerfrau Joice hatte recht. Joice sagte zu mir, daß Männer keine Ehefrauen haben möchten. In meinem Fall mochte mich nicht nur mein Ehemann nicht haben, sondern auch sein Bruder nicht, seine Mätressen nicht, seine Ritter nicht — niemand wollte mich hier dulden bis auf die Lady. Und jetzt bleibt selbst ihre Tür vor mir verschlossen.«
Iolanthe lauschte dieser Rede einer Frau, die sich selbst bemitleidete, und verstand sie sehr gut. Solange sich eine Frau begehrenswert fühlte, konnte sie auch Selbstvertrauen haben. Sie konnte das Bett ihres Ehemannes samt der Mätresse, die darin schlief, in Brand stecken; sie konnte es wagen, eine Wette abzuschließen, die er verlieren würde; sie konnte seinen Zorn herausfordern, indem sie seine Befehle an die Bediensteten seiner Burg widerrief. Aber wenn eine Frau sich verschmäht fühlte, verließen sie ihre Kräfte.
Io hatte keine Ahnung, was du zu tun sei. Sie konnte niemals hoffen, Rogan dazu bewegen zu können, daß er zu Liana ging.
Rogan war ein sturköpfiger Mann, der keinen Begriff hatte, was gut für ihn war. Der Gedanke, daß irgendeine Frau jemals irgendeinen Einfluß auf ihn haben könne, wäre ihm verhaßt. »Wer ist die Lady?« fragte Io, um Zeit zu gewinnen, weil sie über dieses Problem nachdenken mußte.
Zunächst hörte Io kaum hin, als Liana ihre Frage beantwortete; doch dann wurde sie bei einem Wort stutzig.
»Sie wohnt im Stockwerk über dem Söller?«
»In einem Zimmer, das fast immer von innen verriegelt ist. Aber sie scheint zu spüren, wenn ich in Nöten bin; denn dann steht ihre Tür offen. Sie ist mir eine große Hilfe und Freundin gewesen, seit ich hierherkam. Sie erzählte mir von Jeanne Howard. Sie sagte zu mir, daß Männer sich nicht in Turnieren um unterwürfige Frauen prügeln würden — um häßliche Frauen natürlich auch nicht«, fügte Liana hinzu.
»Ist die Lady eine schon etwas ältere Frau, ziemlich hübsch, mit sanften braunen Augen?«
»Ja. Wer ist sie? Ich habe sie das schon fragen wollen; aber jedesmal, wenn ich sie sehe . . .« Sie brach ab, als sie sah, daß Iolanthe eine kleine silberne Glocke bediente. Eine Kammerfrau erschien, und Io flüsterte ihr etwas zu, worauf sich die Frau wieder zurückzog.
Iolanthe stand von ihrem Sessel auf. »Hättet Ihr etwas dagegen, wenn wir zu diesem Zimmer gingen und dort mit Eurer Lady sprächen?«
»Das Zimmer ist versperrt. Es blieb versperrt, seit ich . . . seit ich zu diesem Dinner mit meinem Gatten ging.«
»Ich habe
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