Die Zaehmung
begehren, ich weiß nicht, wie sie auf diesen Gedanken kommen konnte. Dein Bruder besteigt doch alles, was auch nur annähernd nach einer Frau aussieht.«
Severn lächelte stolz. »Ein großer Bumser vor dem Herrn, das mußt du ihm lassen.«
»Laß uns jetzt nicht darüber streiten, was wir beide von deinem Bruder halten. Du mußt Rogan dazu bringen, daß er Liana sagt, er hielte sie für schön und begehre sie mehr als jede andere Frau.«
»Sicher. Und dann soll ich noch den Ozean trockenlegen. Hast du noch mehr Wünsche? Vielleicht die Stadt London hierher versetzen? Du hast ja auch noch nie versucht, Rogan zu etwas zu bewegen, was er nicht tun will.«
»Schläft er inzwischen wieder mit den Wochentagen?«
Severn schnitt eine Grimasse. »Nein, und ich glaube, das macht bestimmt die Hälfte seines Problems aus. Das ist die längste Zeit, die er ohne eine Frau durchgestanden hat seit. . .« Severn dachte einen Moment nach . . . »seit die Howards ihm seine erste Frau raubten. Nun schau mich bloß nicht so an«, sagte er zu Io. »Mein Bruder kann jede Frau haben, ob er nun mit ihr verheiratet ist oder nicht. Vielleicht möchte er im Augenblick keine. Ich kann das verstehen, wenn man bedenkt, wie seine Frau sich aufführt. Dieser Münzschleier war wirklich der Gipfel.«
»Es liegt ganz bei dir«, sagte Io mit süßer Stimme. »Warum kannst du Rogan nicht dazu bewegen, Liana zu ihrem Vater zurückzuschicken und sich gänzlich von ihr zu befreien? Dann könntest du eine Wagenladung voll schöner, heiratsfähiger junger Mädchen in die Burg bringen, so daß dein Bruder jede Nacht mit einem Dutzend von ihnen schlafen kann.«
»Und welche von diesen Mädchen wird sich dann darum kümmern, daß wir Pasteten auf den Tisch bekommen?« murmelte Severn. »Zur Hölle mit dir, Io! Und zur Hölle mit dieser Liana. Zur Hölle mit allen Frauen! Warum können sie einen Mann nicht in Ruhe lassen? Rogan hat sie doch nur geheiratet, um an ihr Geld zu kommen. Warum muß er noch . . . noch . . .«
»Noch was?« fragte Io scheinheilig. »Sich in sie verlieben? Anfangen, sie zu brauchen?«
»Das ist es nicht, was ich meinte, verdammt noch mal. Zum Henker mit ihnen beiden. Jemand müßte sie zusammen in einem Raum einschließen und den Schlüssel wegwerfen. Die beiden machen mich krank.« Sein Kopf ruckte in die Höhe.
»Was ist los?«
»Nichts. Nur so eine Idee.«
»Sag mir, woran du denkst«, drängte sie.
Es dauerte eine Weile, ehe Severn zu reden begann.
Am gleichen Abend schickte Severn Liana ein Friedensangebot. Sie saß allein mit ihren Damen im Söller, wie sie das nun jeden Abend tat. In der Regel wurde sie dort von niemandem aus der Burg belästigt — als würde sie gar nicht existieren oder als ob jeder sich wünschte, daß sie nicht existiere —, und so war sie sehr überrascht, als ein alter narbenbedeckter Ritter ihr einen Krug Wein brachte und sagte, dies schicke Lord Severn seiner schönen Schwägerin.
»Glaubst du, der Wein ist vergiftet?« fragte Liana Gaby.
»Vielleicht mit einem Liebestrank«, gab Gaby zurück. Sie hatte nie aufgehört, Liana zu einer nachgiebigeren Haltung zu bewegen.
Der Wein war warm und angenehm gewürzt, und Liana trank mehr davon, als es eigentlich ihre Absicht gewesen war.
»Ich fühle mich plötzlich sehr müde«, sagte sie. Sie war in der Tat so müde, daß sie kaum noch den Kopf hochhalten konnte.
Und in diesem Moment geschah es, daß Severn den Söller betrat. Alle Kammerfrauen, die Liana dort Gesellschaft leisteten, bekamen beim Anblick des hübschen blonden Riesen verklärte Augen; doch Severn interessierte sich offenbar nur für Liana.
Gaby betrachtete bestürzt ihre Herrin, die mit einem Mal die Augen schloß und deren Kopf kraftlos hin- und herpendelte. »Ich fürchte, etwas stimmt nicht mit ihr!«
»Das schwitzt sie im Schlaf schon wieder aus«, sagte Severn, drängte Gaby mit dem Ellenbogen zur Seite und hob dann Liana aus ihrem Sessel.
»Mylord!« keuchte Gaby. »Ihr könnt nicht . . .!«
»Ich kann», antwortete Severn, während er die schlafende Liana aus dem Zimmer trug und dann die Wendeltreppe hinauf. Er passierte die Schlafzimmer über dem Söller, trug sie noch eine Treppe höher, bis er vor einer dicken, mit eisernen Beschlägen versehenen Eichentür anlangte. Er verlagerte ihr Gewicht auf seinen rechten Arm und warf sie sich über die Schulter, während er einen
Schlüssel zur Hand nahm, der an einer Kette an seinem Gürtel baumelte, und die Tür
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