Die Zaehmung
fragte Liana.
»Sie glauben, Ihr wäret jetzt eine ordentliche Ehefrau«, sagte Gaby steif.
»Eine ordentliche Ehefrau?« brauste da Liana auf.
»Nenne sie bloß nicht so«, sagte Rogan, »oder wir werden hier niemals irgendeinen Frieden bekommen. Ich will keine feurigen Betten mehr haben.«
Gaby unterließ es, ihre persönliche Meinung über Lianas Verhalten als Ehefrau zu äußern. Gaby hatte ihren Mann durch jahrelange, sich selbst verleugnende Liebe für sich gewonnen, und sie erwartete von allen anderen Frauen dasselbe.
Widerstrebend verließ Liana nun die Kammer mit ihrem Gatten. Sie hatte etwas aus dem Aufenthalt in diesem Raum gelernt. Sie hatte gelernt, daß das, was einer Frau wichtig war, nicht unbedingt auch für den Mann wichtig war. Rogan hatte sie nicht als häßlich bezeichnet und, besser noch, er hielt ihr Aussehen nicht einmal für gewöhnlich.
Irgendwie hatte sie das Gefühl, daß sie zu einer Brücke gekommen und diese sicher überquert hatte. Liana vermochte keine weiteren Hindernisse auf ihrem zukünftigen Weg zu erkennen.
Kapitel siebzehn
Sechs lange, glorreiche Wochen hindurch war Liana der glücklichste Mensch auf Erden.- Sie und Rogan hatten den Spott seiner Leute gefürchtet; aber was sie nicht vorausgesehen hatten, war die Dankbarkeit, die die Leute empfanden, weil sie wieder ordentliches Essen auf den Tisch bekamen und die Ratten aus ihren Stuben verschwanden, so daß es ihnen eigentlich gleichgültig war, was diese Wendung zum Besseren herbeigeführt hatte.
Und die Burg und deren Bewohner veränderten sich nun tatsächlich in vielerlei Hinsicht. Die Leute übersahen oder bekämpften sie nicht länger, sondern griffen sich respektvoll an die Stirnlocke, wenn Liana an ihnen vorüberkam. Severn wußte sich vor Liebenswürdigkeit ihr gegenüber nicht zu lassen, und Iolanthe erschien nun regelmäßig zum Dinner an ihrer Tafel.
Aber am besten von allen mußte Liana Rogan gefallen. Seine Augen folgten ihr, wohin sie auch immer ging. Er begab sich nur noch in sein Brütezimmer, wenn er dort etwas holen mußte, und verbrachte statt dessen jeden Abend im Söller mit Liana und deren Damen. Und statt mit seinem Bruder zu streiten, fand nun auch Severn Geschmack an der Geselligkeit im Söller, desgleichen Zared und Io.
Es war am Morgen nach so einem reizenden Abend, als Liana sich bewußt wurde, daß sie ein Kind bekommen würde. Sie hatte immer geglaubt, es müßte ihr übel davon werden, wie sie das bei anderen Frauen in den ersten Monaten von deren Schwangerschaft beobachtet hatte; aber ihr wurde nicht schlecht. Im Gegenteil: sie hatte sich nicht einmal müde gefühlt — in keinerlei Weise anders als sonst —, außer daß sie nun kaum noch in ihre Kleider hineinpaßte. Sie legte die Hände auf ihren harten, sich wölbenden Unterleib und träumte dabei von einem kleinen rothaarigen Kind.
»Mylady?« sagte Gaby hinter ihr. »Seid Ihr wohlauf?«
»Fein. Großartig. Ich habe mich niemals besser gefühlt. Was hast du denn damit vor?«
Gaby trug einen Henkelkorb mit frischen Kräutern am Arm. »Lord Rogan und Baudoin haben miteinander gerungen und rollten dabei in einen Wald aus Brennnesseln. Ich werde aus diesen Kräutern einen Aufguß zubereiten, der hilft, den Schmerz ein wenig zu lindern.«
Liana schrak zusammen. Brennnesseln konnten sehr schmerzhaft sein. In der Nähe des Hauses ihres Vaters wuchs ein Kraut, das den Schmerz viel besser zu lindern vermochte als das, was Gaby da im Korb bei sich trug. Als Liana zum erstenmal hierher auf die Burg gekommen war, hatte sie dieses Kraut in der Nähe der Straße wachsen sehen, entsann sie sich jetzt. Wie weit war diese Stelle von der Burg entfernt? Zehn, zwölf Meilen? Mit einem guten Pferd konnte sie an jenem Ort anlangen, die Kräuter sammeln und bis Sonnenuntergang wieder zurück sein in der Burg. Und heute abend, wenn sie mit dem Saft der Kräuter die brennende Haut ihres Gatten einrieb, würde sie ihm sagen, daß sie ein Kind bekämen.
Sie schickte Gaby aus dem Zimmer. Es würde nicht leicht sein, aus Moray Castle zu entrinnen. Rogan hatte ihr strikte Befehle gegeben, niemals die Burg ohne eine Eskorte zu verlassen. Und nach dem Angriff der Howards hatte er zu ihr gesagt, sie könnte die Burg überhaupt nicht mehr verlassen, selbst wenn sie alle Peregrine-Ritter als Begleitung mitnehmen wollte.
Liana blickte auf ihr Brokatkleid hinunter und lächelte. Wenn sie die Burg nicht als Lady Liana, sondern als eine andere Person verließ,
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