Die Zaehmung
dich heraushole? Oder soll ich den Baum schütteln, bis er dir auf den Kopf fällt?«
Liana konnte nicht glauben, daß er wirklich wußte, wo sie steckte. Zweifellos bluffte er. Sie bewegte sich nicht von der Stelle.
Sein dicker Arm fuhr in den Baum hinein, legte sich um ihre Taille und zog sie heraus — direkt an seine harte Brust. Sein Gesicht war mit schwarzem Schlamm verschmiert; aber seine Augen loderten, und einen Moment lang dachte Liana, daß er sie vielleicht küssen wollte. Ihr Herz begann zu hämmern.
»Du bist hungrig, wie?« sagte er, sie mit lachenden Augen ansehend. »Nun — ich habe keine Zeit dafür, weil eine andere Dirne mich erwartet.« Er schob sie von sich und zurück zum See.
Liana überlegte, daß es nicht genügen würde, ihn mit ihrer Erscheinung in einem kostbaren Gewand zu blenden. »Er soll vor mir kriechen«, murmelte sie.
»Jetzt?« sagte er. Offenbar hatte sie zu laut mit sich geredet.
Sie schwang zu ihm herum. »Ja«, stieß sie durch die zusammengepreßten Zähne. »Ich werde dich vor mir krie-chen lassen. Ich werde dafür sorgen, daß du bereust, wie du mich behandelt hast.«
Er lächelte nicht — tatsächlich schien sein Gesicht plötzlich aus Marmor zu bestehen —, aber in seinen Augen zeigte sich ein belustigter Schimmer. »Auf diesen Tag wirst du lange warten müssen; denn jetzt sollst du nicht nur mein Hemd, sondern alle meine Kleider waschen.«
»Eher würde ich . . .« Sie stockte.
»Ja? Nenne deinen Preis, und ich werde sehen, ob ich ihn bezahlen kann.«
Liana drehte sich von ihm weg. Es war besser, die Sache rasch hinter sich zu bringen und seine Kleider zu waschen, damit sie ihn wieder los wurde. Hier hatte er sie in seiner Gewalt; aber morgen würde sie es sein, die die Zügel in der Hand hielt — und dazu noch die Peitsche und Ketten, dachte sie mit einem Lächeln.
Am Rand des kleinen Sees blieb sie wieder stehen und weigerte sich, sich auch nur den Anschein bereitwilligen Gehorsams zu geben. Dieses Verhalten schien ihn noch mehr zu belustigen. Er hob das mit Schlamm bedeckte Hemd auf und schleuderte es gegen ihre Brust, daß sie unwillkürlich die Arme hob, um es aufzufangen.
»Und das kommt noch dazu«, sagte er und lud ihr seine übrigen, mit Läusen infizierten Sachen auf die Arme. Dann kniete er nieder und wusch sich den Schlamm aus dem Gesicht.
Liana ließ mit einem entsetzten Keuchen die Kleider wieder auf den Boden fallen.
»An die Arbeit«, befahl er. »Ich brauche die Sachen, um jemandem den Hof zu machen.«
Liana begriff, daß weiteres Sträuben sinnlos war. Je rascher sie die Kleider wusch, um so schneller konnte sie sich von der Gegenwart dieses Mannes befreien. Sie packte das Hemd an einem Zipfel, tunkte es ins Wasser und klatschte es dann gegen einen Felsen. »Sie wird dich nicht haben wollen«, sagte Liana. »Vielleicht gefällt ihr dein Aussehen; aber wenn sie auch nur einen Funken Verstand besitzt, wird sie lieber von der Stadtmauer springen, als dich zu heiraten.«
Er lag wieder in der Sonne im Gras, den Kopf in die Hände gestützt, und sah ihr bei der Arbeit zu. »Sei unbesorgt — sie wird mich haben wollen. Es stellt sich eher die Frage, ob ich sie haben möchte. Ich werde keine böse Frau heiraten. Ich nehme sie nur, wenn sie fügsam ist und sanft.«
»Und dumm«, setzte Liana hinzu. Sie wollte die Läuse töten, und so nahm sie einen Felsbrocken zur Hand und schlug damit auf die Kleider ein. Aber als sie das Hemd umdrehte, sah sie darin die kleinen Löcher, die der kantige Stein in das Gewebe riß. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck; aber dann lächelte sie. Sie würde ihm seine Kleider, wie befohlen, säubern; aber wenn sie damit fertig war, würden sie aussehen wie ein Fischernetz. »Nur eine dumme Frau würde dich haben wollen«, sagte sie laut in der Hoffnung, ihn von der Betrachtung seiner Kleider abzulenken.
»Die dummen Frauen sind die besten«, antwortete er. »Ich mag keine kluge Ehefrau. Schlaue Frauen machen einem Mann nur Schwierigkeiten. Bist du mit dem Waschen fertig?«
»Die Sachen starren vor Schmutz und müssen gründlich gereinigt werden«, sagte sie in einem so süßen Ton, wie ihr dieser gelingen wollte. Wenn sie sich vorstellte, wie er mit diesen Kleidern voller Löcher auf der Türschwelle stand und das Mädchen, das ihn erwartete, begrüßte, mußte sie lächeln. »Vermutlich haben die Frauen dir schon viel Schwierigkeiten im Leben bereitet«, sagte sie. Seine Eitelkeit war geradezu
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