Die Zaehmung
störte, daß seine Frau die Gefangene seines Erzfeindes war. Er lächelte, als er hörte, daß Liana ein Baby erwartete. Doch ihm verging das Lächeln, als er sah, daß Liana jedes Wort glaubte, das Jeanne ihr erzählte.
Kannten Frauen denn keine Loyalität? Hatte er jemals etwas getan, womit er sich das Mißtrauen seiner Frau verdient hätte? Er hatte ihr ein Dach über dem Kopf verschafft, Nahrung für den Bauch — und ein Balg noch dazu — und sogar ihretwegen seine Frauen aufgegeben. Und er war hierhergekommen, um sie vor den Howards zu retten.
Er war so wütend gewesen über ihre Wankelmütigkeit, daß er — während er seine Vorbereitungen traf, Wächter und Lehnsleute mit Geld bestach, das woanders eigentlich viel dringender benötigt wurde, und dann täglich zum Saubermachen in ihr Zimmer ging — sich ihr nicht enthüllte.
Nun war er also hier, und nachdem er sich so viel Mühe gemacht hatte, um sie wiederzufinden, war sie ihm nicht einmal dankbar.
»Was hattest du denn außerhalb der Wehrmauern zu suchen?« fragte er nun stirnrunzelnd. »Ich gab dir den strikten Befehl, niemals die Burganlagen zu verlassen.« Die kleine Haube auf ihrem Kopf war so durchsichtig, daß er sehen konnte, wie wenig von ihren Haaren übriggeblieben war. Wenn er diesen Oliver Howard jemals zwischen die Finger bekommen sollte, würde der Tod dieses Mannes lang und schmerzensreich sein.
»Ich wollte Kräuter holen, um den von Brennnesseln verursachten Schmerz zu lindern. Gaby erzählte mir, daß du dich darin gewälzt hättest.« Sie schniefte jetzt laut.
»Brennnesseln!« sagte er fassungslos. »Du hast das alles heraufbeschworen, weil du Kräuter gegen das Brennen von Nesseln holen wolltest?«
Liana begann nun zu begreifen, daß er gekommen war, um sie hier herauszuholen — daß alle Berichte, die sie von seiner Gleichgültigkeit gehört hatte, falsch waren. Sie sprang in einem Geflatter von Seidenröcken vom Bett herunter, warf ihm die Arme um den Hals und pflanzte ihren Mund akkurat auf den seinen.
Er drückte sie so fest an sich, daß ihr fast die Rippen brachen. »Liana«, flüsterte er an ihrem Hals.
Sie streichelte seine Haare, und noch mehr Tränen strömten ihr aus den Augen. »Du hast mich nicht vergessen«, flüsterte sie.
»Nie wieder«, sagte er, und dann im veränderten Ton: »Ich kann nicht länger hierbleiben. Heute nacht haben wir Neumond. Da komme ich hierher, um dich zu holen, und dann verlassen wir die Burg.«
»Wie?« Sie nahm die Arme von seinem Hals, um ihn ansehen zu können. Es schien, als hätte sie von einem zum anderen Moment vergessen, was für ein überaus hübscher Mann er war. Selbst unter dieser dicken Schicht aus Asche und Schmutz war sein Gesicht . . .«
»Hörst du mir überhaupt zu?«
»Ich höre und fühle dich«, antwortete sie, ihre Hüften an die seinen schmiegend.
»Benimm dich und hör mir zu. Traue nicht dieser Jeanne Howard.«
»Aber sie hat mir doch geholfen. Vermutlich hat sie mir sogar das Leben gerettet. Als ich glühendheiß von diesem Fieber . . .«
»Schwöre mir«, unterbrach Rogan sie hitzig, »schwöre mir, daß du ihr nicht traust! Daß du sie nicht in unsere Pläne einweihst und ihr nicht sagst, daß ich hiergewesen bin. Sie hat meine Familie schon einmal verraten, und wenn sie mich abermals verrät, bliebe ich nicht am Leben. Ich könnte als einzelner, ohne meine Mitstreiter, mir nicht alle Ritter der Howards vom Leib halten. Schwöre mir.«
»Ja«, flüsterte Liana, »ich schwöre.«
Er hatte seine Hände auf ihren Schultern und schenkte ihr einen letzten langen Blick. »Ich muß jetzt gehen; aber heute abend komme ich wieder. Warte auf mich und habe wenigstens einmal Vertrauen zu mir.« Er lächelte ein bißchen. »Und räume das Zimmer auf. Ich habe gelernt, Sauberkeit und Ordnung zu schätzen.«
Er küßte sie einmal — hart und heftig —, und dann war er schon aus dem Zimmer.
Liana verharrte lange an der Tür, sich dagegen lehnend. Er war gekommen, um sie zu holen. Er hatte nicht getrunken und mit den Falken gejagt, während sie hier gefangen saß. Im Gegenteil — er hatte sein Leben riskiert und war ganz allein in die Burg der Howards eingedrungen. Er hatte nicht gesagt, daß er sie nicht mehr haben wollte.
Verträumt begann sie all die Sachen wieder aufzuheben, die sie ihm an den Kopf geworfen hatte. Sie wollte nicht, daß Jeanne dieses Durcheinander sah und Fragen stellte.
Heute abend, dachte sie — heute abend wird er mich holen. Als
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