Die Zaehmung
aufregen, wenn jemand seiner Frau die Haare abschnitte. Er würde . . .« Sie hielt plötzlich inne. Da war nichts mehr im Zimmer, was sich zum Schleudern eignete. »Hier? Du warst hier?« fragte sie im mißtrauischen Ton.
»Ich bin hier gewesen und habe fast drei Wochen lang nach dir gesucht. Die Lage deines Gefängnisses war ein gut gehütetes Geheimnis in dieser Burg.«
Liana war sich nicht sicher, ob sie ihm glaubte. »Wie konntest du hier sein und nicht entdeckt werden? Die Howards kennen doch dein Aussehen sehr genau.«
»Nicht so gut, wie sie meinen. Die Spione haben Baudoin auf der Falkenjagd und mit den Wochentagen schäkern sehen, nicht mich. Ich bin in dieser Zeit in dieser Verkleidung hier in der Burg gewesen. Ich habe Toiletten gesäubert. Ich habe Wände gekalkt, Böden aufgewischt
— und gehorcht.«
Liana begann jetzt, ihm zuzuhören. Vielleicht waren die Nachrichten, die sie von seiner Verleugnung ihrer Person gehört hatte, gar nicht wahr gewesen. »Du hast saubergemacht?« sagte sie. »Das soll ich dir glauben? Du würdest ja nicht einmal wissen, welches Ende von einem Besen zum Kehren benützt wird!«
»Wenn ich jetzt einen hätte, würde ich seinen Stiel dazu benützen, dir die Kehrseite damit zu bearbeiten.«
Es war wahr. Oh, Gott im Himmel, es war wahr! Er hatte nach ihr gesucht. Liana knickten die Knie ein, und sie sank auf die kahle Federmatratze hinunter, legte das Gesicht in die Hände und begann zu weinen, als würde ihr das Herz brechen.
Rogan wagte nicht, sie zu berühren. Er stand inmitten dieses Ringwalls aus Wurfgeschossen und starrte sie an. Er hatte nicht geglaubt, daß er sie jemals Wiedersehen würde.
An dem Tag, wo die Howards sie gefangennahmen, hatte er sich in einem Wald aus Brennnesseln gewälzt, und seine Haut brannte wie Feuer. Er hatte sich vorgestellt, wie seine Frau einen Zuber mit heißem Wasser für ihn vorbereiten und die Schmerzen damit lindern würde. Aber als er die Treppe zum Söller hinauf jagte, hatte er dort nur heulende Frauen vorgefunden. Er hatte aus Lianas Dienerinnen kein Wort herausbringen können; aber Gaby konnte ihm immerhin schluchzend so viel mitteilen, daß die Howards Liana in ihre Gewalt gebracht hatten. Oliver Howard hatte eine Botschaft geschickt, daß er die Übergabe von Moray Castle als Preis für ihre Rückkehr verlangte.
Rogan war, ohne ein Wort zu sagen, in ihr gemeinsames Schlafzimmer gegangen. Er hatte sich vorgenommen, dort einige Zeit alleinzubleiben, um sich einen Strategieplan zurechtzulegen; doch ehe er wußte, wie ihm geschah, waren Severn und Baudoin bei ihm, warfen ihn zu Boden und klemmten seine Arme fest. Das Zimmer war verwüstet. In einer so blinden Wut, daß er sich nicht mehr daran zu erinnern vermochte, hatte er eine Axt genommen und alle Stücke aus Holz, Eisen oder Stoff zerhackt. Kerzenwachs vermischte sich mit zerschnittenen Laken. Zerschmetterte Stuhlbeine aus Eichenholz fanden sich neben verbogenen Kerzenständern aus Eisen wieder. Lianas kostbares Kruzifix zerbarst in tausend Splitter. Überall lagen Fetzen von ihren Kleidern herum — rote Seide, blauer Brokat, Stoffe aus Silberfäden, Stoffe aus Goldfäden. Vier von ihren Kopfhauben lagen zerbrochen mit herausquellendem Futter herum.
Die Tür war von Severn und Baudoin eingeschlagen
worden, damit sie an ihren Bruder herankamen und ihn daran hinderten, sich selbst etwas anzutun.
Als Rogan schließlich wieder zur Besinnung kam, war er ruhig — sehr, sehr ruhig sogar. Er war so ruhig, daß Severns Wut fast überkochte.
»Wir werden angreifen«, sagte Severn. »Wir haben jetzt das Geld dafür. Wir werden Söldner anheuern. Wir werden endlich die Howards aus dem Besitz der Peregrines vertreiben.«
Rogan hatte Severn angeblickt und sich vorgestellt, wie er gewaschen und mit einem Leichenhemd angetan in einem Sarg lag — so wie er Basil und James im Sarg hatte liegen sehen, als sie mit ihm zusammen gekämpft hatten, um seine erste Frau nach Moray Castle zurückzuholen. Rogan wußte, daß er nichts übereilt tun durfte, daß er erst klar und ruhig nachdenken mußte. Er konnte nicht so eine gewaltige Festung, wie sie das Peregrine-Land darstellte, ohne sorgfältige Vorausplanung angreifen.
Tagelang arbeitete er lange und hart, trieb seine Männer bis zur Erschöpfung an, um sie auf den Krieg vorzubereiten. Nachts hörte er erst zu üben auf, wenn er seine Arme und Beine nicht mehr bewegen konnte, und dann fiel er in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Doch
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