Die Zaehmung
wird.«
An diesem Tag hatten dann Rogan, Gaby und Baudoin daran gearbeitet, ihn in einen einäugigen, buckligen und verkrüppelten alten Mann zu verwandeln. Severn war so wütend gewesen, daß er sich geweigert hatte, an der Verwandlung mitzuwirken; aber Rogan war zu ihm gegangen und hatte ihn um seine Hilfe gebeten. Rogan wußte, daß sie von den Spionen der Howards beobachtet wurden, und er wollte, daß Severn die Howards davon überzeugte, daß Rogan noch immer in Moray Castle weilte. Severn und Baudoin sollten die Howards täuschen, indem sie diese glauben ließen, Baudoin sei Rogan.
Rogan war allein zu der Festung der Howards gegangen. Als Severn und er im Wald voneinander schieden, hatte Severn seinen Bruder an sich gedrückt — eine seltene Geste zwischen Peregrine-Männern, die sicherlich ausgeblieben wäre, wenn Liana nicht in die Familie gekommen und Einfluß genommen hätte auf ihren Charakter.
»Bring sie zu uns zurück«, hatte Severn leise gesagt. »Und .. . und ich will nicht noch mehr Brüder verlieren.«
»Ich werde sie finden.« Rogan hatte Severn noch einen letzten Blick zugeschickt. »Paß auf Zared auf.«
Severn hatte genickt, und dann war Rogan zwischen den Bäumen verschwunden gewesen.
Rogans gebückte Haltung und sein unsicherer Gang, weil er ein Bein nachziehen mußte, bescherte ihm schon nach kurzer Zeit Rückenschmerzen, und die Howard-Ritter, die ihn herumkommandierten, verliehen ihren Befehlen oft mit einem Tritt oder Stoß Nachdruck. Er prägte sich deren Gesichter ein und hoffte, sie eines Tages auf dem Schlachtfeld wiederzutreffen.
Er schlich in der Burg umher, holte das Spülwasser aus dem Brunnen, bemühte sich ständig, in der Nähe von Leuten zu bleiben, die miteinander redeten. Die Burg war voll von Gerüchten über das verräterische Verhalten der Peregrines, und wie sie versuchten, den Howards zu stehlen, was nach Recht und Gesetz den Howards gehörte. Die Leute stellten allerlei Mutmaßungen über Liana an und behaupteten, sie sei nicht gut genug für Olivers jüngeren Bruder. Rogan zerbrach einen Besenstiel in zwei Hälften, als er das hörte, worauf ihn ein Koch mit einem Hammelbein verprügelte.
Er aß, was er stehlen konnte, und da die Howards auf dem Familienerbsitz der Peregrines überaus wohlhabend waren, vermißten sie niemals etwas bei ihren Mahlzeiten. Er schlief in einer Ecke in den Ställen oder in den Mauserkäfigen bei den Falken.
Er arbeitete und er horchte, hielt sein unbedecktes Auge offen auf der Suche nach jemandem, der so aussah, als wüßte er etwas.
Es war in der dritten Woche, als er bereits die Hoffnung aufgeben wollte, daß ihn ein Mann in die Kehrseite trat und Rogan mit dem Gesicht nach unten in den Dreck schleuderte. »Komm mit mir, Alter«, sagte dann der Mann zu ihm.
Rogan rappelte sich mühsam in die Höhe und folgte dem Mann eine Wendeltreppe hinauf, während er sich überlegte, wo er diesen Kerl abmurksen würde. Doch dann drückte ihm der Mann einen Besen in die Hand.
»Geh dort hinein und mach sauber«, hatte er zu Rogan gesagt und eine dicke, eisenbeschlagene Tür aufgeschlossen.
Im Raum dahinter hatte dann Rogan einen Moment lang blinzelnd dagestanden, denn da war Liana, ihr reizendes Gesicht über einen Stickrahmen gebeugt, die Haare mit einer Haube aus weißer Leinwand bedeckt. Er konnte sich nicht bewegen, nur dastehen und sie anstarren.
Sie blickte hoch. »Nun, mach zu«, sagte sie dann. »Du hast Wichtigeres zu tun als die Howard-Gefangene anzugaffen.«
Er hatte den Mund geöffnet, um ihr zu sagen, wer er war; aber da hatte sich hinter ihm die Tür geöffnet. Rogan war in die Latrine gehuscht, war dort hinter der Tür stehengeblieben und hatte gelauscht. Er hatte erleichtert aufgeatmet, als er eine Frauenstimme hörte, aber als er fortfuhr, an der Tür zu horchen, hatte er Liana diese Frau Jeanne nennen hören. War das die Jeanne, mit der er einmal verheiratet gewesen war?
Er verließ die Latrine wieder und begann in der Kammer herumzukramen. Keine der beiden Frauen achtete auf ihn. Er betrachtete diese Frau Jeanne und dachte, daß es seine erste Frau sein könnte; war sich aber nicht ganz sicher. Ihre Ehe hatte nur kurz gedauert und war vor langer Zeit zu Ende gegangen, und zudem war sie nicht sonderlich denkwürdig gewesen als Ehefrau.
Er hörte den beiden Frauen zu und vernahm die Geschichten von seiner angeblichen Gleichgültigkeit, wie er sich betrank, auf die Falkenjagd ging und sich nicht im geringsten daran
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