Die Zaehmung
trotz der vielen Arbeit für seine Kriegsvorbereitungen fehlte sie ihm sehr. Sie war der einzige Mensch in seinem Leben, der ihn jemals zum Lachen gebracht hatte. Weder sein Vater noch seine älteren Brüder hatten, solange sie lebten, auch nur ein einziges Mal gelacht. Doch dann hatte er dieses Mädchen seines Geldes wegen geheiratet, und seither war nichts mehr so gewesen wie vorher. Sie war die einzige Frau, die wagte, ihn zu kritisieren. Andere Frauen hatten viel zu viel Angst vor ihm, um sich über seine Behandlung zu beschweren. Andere Frauen sagten ihm nicht, was er falsch machte. Andere Frauen
hatten keine Courage, dachte er. Sie steckten keine Betten in Brand, trugen keine Münzschleier, wenn sie zu Tisch kamen, wagten ihn nicht über seine erste Frau auszufragen.
Er überwachte gerade das Verladen von Kriegsmaschinen auf Fuhrwerken, als ein Ritter der Peregrines mit einem Päckchen von den Howards zu ihm kam. Die kleine Truhe aus Eichenholz war über die Burgmauer katapultiert worden mit einer Botschaft, daß sie Rogan zu überbringen sei.
Er brach mit einer Hellebarde das Schloß auf, nahm das Stoffbündel heraus und sah, daß es Lianas Haare enthielt. Irgendwie war es ihm gelungen, bei dem Anblick ihrer Haare ruhig zu bleiben. Die Hand um ihre herrlichen, wunderschönen, seidenweichen Haare gekrampft, war er zum Turm gegangen.
Severn lief ihm nach. »Wo willst du denn hin?« hatte Severn ihn gefragt.
»Das ist eine Sache zwischen Oliver Howard und mir«, hatte Rogan ihm gelassen geantwortet. »Ich werde ihn töten.«
Severn hatte Rogan am Arm gepackt und herumgezogen. »Glaubst du denn, Howard wird sich dir zum Zweikampf stellen? Zu einem fairen Gefecht Mann gegen Mann? Er ist alt!«
Rogan spürte nur zu deutlich die Haare in seiner Hand. »Er hat ihr ein Leid angetan. Dafür werde ich ihn töten.«
»Überlege dir gut, was du tun willst«, beschwor Severn ihn. »Wenn du es auch nur wagst, bis vor das Burgtor der Howards zu reiten, wird Oliver deine dicke Haut mit Pfeilen spicken lassen. Was wird dann aus deiner Frau? Komm, hilf uns, den Krieg vorzubereiten. Wir werden die Howards angreifen, wie es sich gehört.«
»Wie es sich gehört!« gab Rogan mit einem halb höhni-schen, halb verächtlichen Schnauben zurück. »So wie Anno fünfunddreißig? Damals waren wir noch fünf Peregrine-Brüder, und dennoch haben uns die Howards geschlagen. Wie können wir, so arm wie wir sind, hoffen, die Howards in offener Felschlacht zu schlagen? Wir nehmen unsere winzige Streitmacht, belagern die Burg, und Oliver Howard stellt sich oben auf die Mauer und lacht uns aus.«
»Aber du glaubst, daß du, ein einziger Mann, etwas fertigbringen kannst, was alle unsere Männer nicht vermögen?«
Rogan hatte keine Antwort für ihn. Statt dessen ging er in sein Brütezimmer, sperrte die Tür ab und kam vierundzwanzig Stunden nicht aus dem Zimmer heraus. Doch dann wußte er, was er tun würde. Als er mit Liana zum Jahrmarkt gegangen war, hatte er gesehen, wie ungehindert die Bauern in Moray Castle ein- und ausgehen konnten. Er hatte sie natürlich mit ihren Körben voll gackernder Hühner und mit ihren dreirädrigen Handkarren gesehen, die mit primitiven Gütern beladen waren — Männer mit an den Körper geschnallten Werkzeugen, die in die Burg kamen, um dort etwas auszubessern. Doch er hatte diese Leute nie beachtet. Nur als er selbst Bauernkleider getragen hatte, war ihm aufgefallen, was für einen freien Zutritt diese Leute hatten, wie sie durch die Tore gegangen waren, ohne daß ihnen eine Frage gestellt wurde. Doch sobald ein gepanzerter Mann auf einem Pferd sich auch nur bis auf zehn Meilen Moray Castle näherte, wurde er von bewaffneten Männer angehalten.
Rogan rief seine beiden Brüder in sein Brütezimmer und nahm zum erstenmal Baudoin als Mitglied der Familie auf. Liana hatte das erreicht, dachte er. Sie hatte ihm das kostbarste Geschenk gemacht — noch einen Bruder.
Rogan offenbarte nun seinen beiden Brüdern, daß er sich als Bauer zu verkleiden gedachte und allein in die Howard-Festung gehen wolle.
Severns Protestgeschrei ließ die Tauben auf dem Dach auffliegen. Er schrie, er brüllte, er drohte und tobte; doch er konnte Rogan nicht von seinem Vorhaben abbringen.
Baudoin, der geschwiegen hatte, als Severn tobte, ergriff nun endlich das Wort: »Du wirst eine gute Tarnung brauchen. Du bist zu groß, zu leicht zu erkennen. Gaby wird dir eine Verkleidung machen, die nicht einmal Lady Liana durchschauen
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