Die Zaehmung
zu den Wochentagen gehörte, und ihre Stimme und Haltung verrieten einen heimlichen Triumph.
Liana funkelte das Mädchen an. »Du kannst wählen, ob du später dein entwöhntes Kind meiner Obhut anvertrauen oder die Verantwortung übernehmen willst, es großzuziehen. Doch nein — ich nehme nicht die Mütter der Kinder in Pflege.«
»Jawohl, Mylady«, sagte das Mädchen nun gehorsam und verneigte sich vor ihr.
Ein paar Frauen in Lianas Nähe begannen zustimmend zu kichern.
Es war schon spät, als sie das Dorf wieder verließ, und sie wünschte sich, sie könnte neben Rogan unter die Decke kriechen. Wie gewöhnlich begann sie nun davon zu träumen, was sie von ihm verlangen würde, wenn er einen
Tag lang ihr Sklave war. Vielleicht würde sie eine Mahlzeit vorbereiten, die ihnen am Ufer des Flusses serviert wurde — ein Mahl nur für sie beide. Vielleicht würde sie ihn dazu zwingen, mit ihr zu reden. Wenn sie ihn nur dazu bringen konnte, einen Tag — eine Stunde — mit ihr zu verbringen, wenn sie beide bekleidet waren, würde das schon ein Erfolg sein. Er schien sie in die gleiche Kategorie einzuordnen wie die Wochentage — daß sie gut sei zum Schlafen und zu nichts sonst.
Das laute Hämmern der Pferdehufe auf der Zugbrücke über dem nun leeren Burggraben holte sie in die Wirklichkeit zurück. Hinter ihr ritten die sie stets begleitenden, stummen Peregrine-Ritter.
Burg und Hof waren inzwischen fast sauber, und Liana konnte die Treppe zur Lord’s Chamber hinaufsteigen, ohne über Abfälle zu stolpern.
Oben wich sie Joice aus, die eine Liste mit Klagen und Fragen für sie vorbereitet hatte, und stieg zur Schlafkammer darüber hinauf. In den letzten Wochen hatte Liana ein paarmal die Lady aufsuchen wollen — die Dame, die sie in der ersten Woche hier in der Burg kennengelernt und die ihr bedeutet hatte, daß Männer nie wegen einer unterwürfigen, sich immer still verhaltenden Frau ein Turnier ausfechten würden; doch jedesmal war die Tür ihres Zimmers verschlossen gewesen.
Die Zimmer oben waren nun durchweg sauber, und ein paar von ihnen wurden von ihren Dienerinnen bewohnt; doch die meisten waren leer in Erwartung von Gästen. Die verschlossene Tür befand sich am Ende des Korridors; doch diesmal stand sie offen. Liana hielt einen Moment an, um die Frau zu beobachten, auf deren Zöpfen das späte Sonnenlicht lag, als sie sich über einen Stickrahmen beugte.
»Guten Abend, meine Liebe«, sagte die Frau, sich umdrehend, und lächelte liebenswürdig. »Komm doch bitte herein und schließ die Tür. Es zieht sonst.«
Liana kam der Aufforderung nach. »Ich bin schon öfter hiergewesen, um mit Euch zu sprechen; aber Ihr wart nicht da. Rogan ist nach Bevan Castle gezogen.« Abermals hatte Liana das Gefühl, als würde sie diese Frau schon eine Ewigkeit kennen.
Die Frau trennte Docken scharlachroter Seide voneinander. »Ja, und du hast eine Wette mit ihm abgeschlossen. Er soll einen Tag lang dein Sklave sein.«
Liana lächelte, trat zu der Frau und blickte ihr über die Schulter auf das Tuch im Strickrahmen. Es war ein fast fertig gesticktes Bild von einer schlanken blonden Dame, die die Hand auf den Kopf eines Einhorns legte.
»Die könntest du sein«, sagte die Lady lächelnd. »Was hast du dir für jenen Tag mit Rogan vorgenommen?«
Liana lächelte verträumt. »Einen langen Spaziergang im Wald vielleicht. Einen Tag, der nur uns beiden gehören soll. Keine Brüder, keine Burg, keine Pflichten, keinen Ritter — nur wir zwei. Ich möchte, daß er mir . . . mir seine volle Aufmerksamkeit schenkt.« Als die Lady nichts darauf sagte, blickte Liana sie an und bemerkte, daß sie nicht mehr lächelte. »Ihr seid nicht damit einverstanden?«
»Es steht mir nicht zu, etwas dagegen einzuwenden«, sagte die Lady leise. »Aber soweit ich weiß, pflegten auch Jeanne und er miteinander spazierenzugehen.«
»Jeanne?«
»Jeanne Howard.«
»Howard?« wiederholte Liana entsetzt. »Dieselben Howards, die als Todfeinde der Peregrines gelten? Ich habe seit meiner Heirat kaum etwas anderes gehört als die Howards, die den Peregrines das Land stahlen, die Peregrines ermordeten, die Peregrines Hungers sterben ließen.
Wollt Ihr damit sagen, daß Rogan einmal einer Howard den Hof gemacht hat?«
»Rogan war einmal mit Jeanne verheiratet, ehe sie zu einer Howard wurde.«
Liana setzte sich auf die Bank unter dem Fenster, den warmen Sonnenschein auf dem Rücken. »Erzählt mir alles davon«, flüsterte sie.
»Rogan wurde
Weitere Kostenlose Bücher