Die Zaehmung
sich schon einmal mit einer Frau allein in den Wald begab, wurde ihm diese geraubt, und das führte schließlich zum Tod seiner beiden Brüder. Nein, er wird nicht so einfach in etwas einwilligen, das du von ihm verlangst.«
Die Lady blickte zur Tür hin und lauschte. »Ich höre, daß deine Dienerin nach dir sucht. Du mußt jetzt gehen.«
»Ja«, erwiderte Liana zerstreut, da sie mit ihren Gedanken noch bei dem Thema ihres Gesprächs war. Sie ging zur Tür, drehte sich dort noch einmal um und sagte: »Darf ich Euch denn wieder besuchen? Eure Tür ist oft versperrt.«
Die Lady lächelte. »Wann immer du mich brauchst, werde ich hier sein.«
Liana erwiderte das Lächeln und verließ das Zimmer. Sie hörte, wie sich der Schlüssel innen im Schloß drehte, sobald sie die Tür zugemacht hatte. Sie wollte noch einmal an diese klopfen. Da waren so viele Fragen, die sie der Lady stellen wollte; aber sie schien sie jedesmal zu vergessen, sobald sie über die Schwelle trat.
So zog sie ihre Hand wieder zurück, stieg hinunter in die Halle und ging zum Eingang über der Vortreppe. Joice suchte tatsächlich nach ihr. Lord Rogan war zurückgekommen, und dicht hinter ihm zog fast das ganze Dorf in den Burghof ein, einen Leiterwagen in ihrer Mitte. Auf dem Wagen lagen zwei tote Männer — Vater und Sohn.
»Das sind Eure Diebe«, rief Joice staunend. »Genauso, wie Ihr es vorausgesagt habt. Die Bauern haben sie gehängt. Ein paar von den Rittern meinten, sie hätten es getan, damit Lord Rogan die Schuldigen nicht foltern lassen könnte. Sie sagen, die Diebe wären Robin Hoods gewesen, die alles, was sie stahlen, mit den Bauern teilten, und die Bauern hatten die beiden gern. Trotzdem haben sie sie für Euch gehängt, Mylady.«
Liana schnitt eine Grimasse, als sie von dieser zweifelhaften Ehre hörte, glättete dann die Röcke und trat hinaus auf die Vortreppe, um ihren Gatten zu begrüßen. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals hinauf.
Rogan saß immer noch auf seinem Pferd. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne ließen seine Haare erglühen, und der große braune Hengst zwischen seinen kräftigen Schenkeln tänzelte gefährlich, als er den Zorn seines Herrn spürte. Rogan blickte finster im Hof umher, der vor Sauberkeit glänzte, und musterte stirnrunzelnd die sauberen Bauern, die ihr hageres, halbverhungertes Aussehen verloren hatten.
Liana spürte, daß es Ärger geben würde. Sie konnte die Anzeichen des Sturms auf seinem Gesicht erkennen. »Ich habe die Wette gewonnen«, sagte sie so laut, wie sie konnte, und versuchte damit seine Aufmerksamkeit von den Bauern auf sich zu lenken. Da sie am Kopfende der Treppe über der Menge stand, trug ihre Stimme auch weit, so daß jeder verstehen konnte, was sie sagte. Sie beobachtete mit angehaltenem Atem, wie Rogan sein Pferd zügelte und sich zu ihr umdrehte. Er erinnert sich an mich, dachte sie glücklich. Und mehr noch — er begehrt mich. Ihr Herz begann laut zu hämmern.
Doch dann wollte ihr das Atmen wieder vergehen, als sie in seine Augen sah. Er schien wütend auf sie zu sein
— nicht nur wütend, sondern wutentbrannt. Zweifellos war das der Ausdruck, mit dem er einen Howard betrachtete. Aber ich bin nicht deine erste Frau, dachte sie, während sie ihr Kinn vorschob und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, daß sie am ganzen Leib zitterte. Am liebsten wäre sie jetzt die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinaufgerannt und hätte sich dort unter der Decke vor dem flammenden Blick dieses Mannes versteckt.
»Ich habe gewonnen«, zwang sie sich dazu, laut zu sagen. »Komm ins Haus und sei mein Sklave.« Sie drehte sich um, da sie diesen Zorn in seinen Augen nicht länger ertragen konnte, und stieg hinauf in den Söller. Vielleicht würden ein paar Minuten Andacht in der Kapelle sie wieder beruhigen.
Rogan sah der Frau nach, als sie durch die Halle zur Treppe ging, stieg dann vom Pferd und gab den Zügel einem rothaarigen Stallburschen. Er sah nun dem Jungen nach, der sich mit dem Pferd entfernte, und irgendwo kam er ihm bekannt vor.
»Einen Tag lang der Sklave einer Frau?« drang Severns Stimme zu ihm, der nun mit einem leisen Lachen an seine Seite kam.
Rogan lenkte seinen finsteren Blick auf seinen Bruder. »Hast du die Erlaubnis dazu gegeben, das Wasser aus dem Graben abzulassen? Und auch dazu?« Er bewegte den Arm über den Burghof hin, der nun ganz anders aussah als früher, und über die toten Männer auf dem Wagen. »Ist das alles deine Idee? Ich brauche euch
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