Die Zaehmung
hinaus in die Sonne.
Severn stand in der Nähe der Südmauer und streichelte einem großen Peregrine-Falken die Brust.
»Wo ist mein Mann?« fragte Liana.
»Er ist heute morgen nach Bevan geritten«, erwiderte Severn, ohne sie anzusehen.
»Bevan? Wo eure Familie belagert wurde und den Hungertod starb?«
Severn warf ihr einen raschen Blick zu und setzte den Falken zurück auf seine Sitzstange. »Ja, das ist die Burg.«
»Wann wird er wieder zurück sein?«
Severn zuckte nur mit den Achseln und ging davon.
Liana folgte ihm und hob die Röcke an, damit sie schneller laufen konnte. »Er ist einfach losgeritten? Ohne jemandem ein Wort zu sagen? Er hinterließ keine Nachricht, wann er wieder zurück sein will? Ich möchte, daß du den Männern die Erlaubnis gibst, den Burggraben abzulassen.«
Severn blieb abrupt stehen, drehte sich um und starrte sie an. »Den Burggraben ablassen? Bist du verrückt, Weib? Die Howards könnten . . .«
». . . ihn als Brücke benützen, so dick ist die Brühe, die darin schwimmt«, unterbrach ihn Liana und funkelte ihn dabei an. »Wann wird mein Mann zurückkommen?«
Der strenge Blick, mit dem Severn sie musterte, wurde zu einem Augenzwinkern. »Mein Bruder hat noch vor Anbruch der Morgendämmerung die Burg verlassen und mir nur gesagt, daß er nach Bevan Castle reiten wolle. Wenn du ihn darum gebeten hast, daß er den Burggraben ablassen soll, war das vermutlich ein Grund seiner Abreise.«
Liana sagte darauf kein Wort.
»Jetzt hast du Angst, wie?« meinte Severn, während ein Lächeln um seinen Mund spielte.
Liana konnte nicht verhindern, daß ihr das Blut ins Gesicht stieg, weil er ihr Schweigen richtig gedeutet hatte.
»Ich werde keine Erlaubnis geben, den Burggraben abzulassen, so daß Rogan ihn bei seiner Rückkehr leer vorfindet«, sagte Severn und drehte ihr wieder den Rücken
Liana blieb stehen und starrte ihm nach. Es beunruhigte sie sehr, daß Rogan fortgeritten war; doch sie konnte auch die Burg und das Dorf leichter in Ordnung bringen, wenn Rogan nicht zugegen war, überlegte sie. Severn war ein viel weicherer Charakter als Rogan, wie sich soeben wieder bestätigt hatte, und sie überlegte, ob sie Severn nicht zu dieser Erlaubnis überreden könne, so wie sie ihren Vater immer zu überreden pflegte, wenn sie etwas durchsetzen wollte — mit einer guten Mahlzeit.
Liana schickte Joice los, um ihr kostbares Rezeptbuch zu holen, richtete dann ihre Haube gerade und ging die Treppe zu den Küchenräumen hinauf.
Es war schon sehr spät am Abend, als Liana allein ins Bett stieg. Sie war erschöpft; aber auch glücklich, denn sie hatte nun die Erlaubnis, die Brühe, welche die Burg umgab, mit einem Graben abzuleiten.
Es hatte einen ganzen Tag gedauert, bis sie die Halle der Bediensteten und die Küchenräume einigermaßen säubern konnte, und dann hatte sie Severn und den Peregrine-Rittern ein Festmahl bereitet, das eines Königs würdig gewesen wäre. Sie hatte ihnen Roastbeef vorgesetzt — rosiges, saftiges Fleisch —, Kapaun in Orangensoße, in Zwiebeln und Rosinen gekochtes Kaninchen, Spinat mit Käsetörtchen, Eier in Senfsoße, mit Nelken gewürzte Birnen, Waldmeistertorte und Apfelschaum.
Nachdem sich Severn und seine Mannen mit dieser Mahlzeit die Bäuche vollgeschlagen hatten, wußte Liana, daß sie alles von ihnen haben konnte, was sie wünschte. Sich über den Bauch streichend, gab Severn nicht nur ihrer Bitte statt, sondern bot sogar seine Hilfe beim Graben an. Liana hatte gelächelt und gemeint, das wäre nicht nötig und reichte ihm dann einen Teller mit süßen gelierten Milchwürfeln.
Wenn doch nur mein Mann so leicht zu überzeugen wäre, dachte Liana, als sie müde auf die Federmatratze zurücksank. Sie versuchte, sich nicht auszumalen, was ihr Mann in Bevan Castle machte. Lag er dort in den Armen einer anderen Frau?
Rogan saß in Bevan Castle vor dem Kamin, den Schmutz und die Verwahrlosung, die ihn umgab, so wenig beachtend wie zuvor in der Burg von Moray. Er hatte nur Augen für das hübsche junge Bauernmädchen vor ihm.
Als er am frühen Morgen von der Burg Moray losritt, war er sich nicht sicher gewesen, warum er das tat. Er wußte nur, daß sein erster Gedanke, als er erwachte, dieser blondhaarige Satansbraten war, den er geheiratet hatte.
Er hatte sich gekratzt, weil die Flöhe nur zu gern die alte Strohmatratze, auf der er schlief, mit seinem Körper vertauscht hatten, war auf die Beine gesprungen und hatte sich gesagt, daß er eine
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