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Die Zaehmung

Titel: Die Zaehmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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Oder vielleicht war es am sichersten, wenn man einfach gewissen Bauern eine Vollmacht gab, die Burg zu betreten, doch niemals einem neuen Gesicht den Aufenthalt innerhalb der Burgmauern gestattete. Niemals . . .
    Zu Rogans Verdruß ließ Liana einfach seine Hand fallen und schritt nun vor ihm her.
    Die Art, wie sie ging, schien darauf hinzudeuten, daß sie wütend war. »Warum das nun?« murmelte er. Er hatte doch alles getan, was sie heute von ihm verlangt hatte, und sie war dennoch nicht zufrieden.
    Er holte sie ein. »Stimmt etwas nicht?«
    »Oh, du hast mich also wieder bemerkt«, erwiderte sie hochmütig. »Ich hoffe, ich habe dich nicht damit gestört, daß ich dir sagte, daß ich dich liebe.«
    »Nein«, gab er aufrichtig zur Antwort. »Ich dachte nur gerade an etwas anderes.«
    »Laß dich von meiner Liebeserklärung nur nicht aus deinem Gedankengang herausbringen«, meinte sie bissig. »Ich bin sicher, daß mindestens hundert Frauen bisher geschworen haben, daß sie dich lieben. Alle Wochentage zum Beispiel. Aber früher hattest du ja sogar Monatstage. Und Jeanne Howard muß es dir sicherlich jeden Tag gesagt haben.«
    Rogan konnte nun schon ein wenig durch die Nebelwolken ihrer Ungereimtheiten blicken. Das war wieder eine von diesen Frauensachen, also keineswegs von Belang. »Sie war keine Howard, als sie mit mir verheiratet war.«
    »Ich verstehe. Aber du leugnest nicht, daß sie dir wiederholte Male sagte, daß sie dich lieben würde. Du hast das vermutlich schon so oft gehört, daß es dir nichts bedeutet, wenn es von mir kommt.«
    Rogan dachte einen Moment darüber nach. »Ich kann mich daran erinnern, daß eine Frau zu mir gesagt hätte, sie würde mich lieben.«
    »Oh«, sagte Liana und schob ihre Hand wieder in die seine. Schweigend gingen sie weiter. »Liebst du mich?« fragte sie dann leise.
    Er drückte ihre Hand. »Ich habe es schon ein paarmal getan. Und heute nacht werde ich . . .«
    »Nicht diese Art von Liebe. Ich meine, dieses Gefühl in einem. So wie du deine Muttert geliebt hast.«
    »Meine Mutter starb bei meiner Geburt.«
    Sie runzelte die Stirn. »Dann eben Severns Mutter.«
    »Sie starb bei Severns Geburt, und damals war ich zwei Jahre alt. ich kann mich nicht an sie erinnern.«
    »Zareds Mutter?« fragte Liana leise.
    »Ich glaube nicht, daß ich irgend etwas für sie empfun-
    den habe. Sie hatte vor uns allen Angst. Sie weinte oft.«
    »Hat denn keiner von euch versucht, sie zu trösten?«
    »Rowland hat ihr einmal gesagt, sie sollte aufhören zu weinen, damit wir schlafen könnten.«
    Liana dachte über diese arme Frau nach, die einsam in einer schmutzigen Burg voller Männer lebte, deren Hauptsorge darin bestand, daß ihr Weinen sie im Schlaf stören könne. Und sie war die Frau, die bei der Belagerung von Bevan Castle den Hungertod starb. Wenn Rogan in seinem Leben keine Frauen geliebt hatte, mußte er seine Brüder geliebt haben. »Als dein ältester Bruder starb . . .«
    »Rowland starb nicht; er wurde von den Howards ermordet.«
    »Also gut«, sagte sie ungeduldig. »Getötet. Ermordet. Gemeuchelt, ohne jemanden provoziert zu haben. Hast du ihn nach seinem Tod sehr vermißt?«
    Rogan brauchte eine Weile, ehe er antwortete, während die Bilder seines starken, mächtigen Bruders vor seinem inneren Auge vorbeizogen. »Ich vermisse ihn noch heute«, sagte er schließlich.
    Lianas Stimme wurde noch leiser. »Würdest du mich vermissen, wenn ich stürbe? Zum Beispiel, wenn die Pest mich dahinraffte?«
    Er blickte auf sie hinunter. Wenn sie starb, würde sein Leben wieder in den Bahnen verlaufen wie vor der Heirat mit ihr. Seine Kleider würden vor Läusen wimmeln. Das Brot würde mit Sand gefüllt sein. Die Wochentage würden wieder in der Burg einziehen. Sie würde nicht mehr da sein, um auf ihn zu fluchen, sich über ihn zu amüsieren, ihn öffentlich bloßzustellen. Er runzelte die Stirn. Ja, sie würde ihm fehlen.
    Nein, zum Donnerwetter — es würde ihm gar nicht gefallen, wenn er sie missen müßte!
    »Ich müßte dann nicht mehr irgendwelche Jahrmärkte besuchen«, sagte er und ging weiter.
    Liana blieb wie angewurzelt stehen. Sie mochte nicht daran denken, wie sehr ihr seine Worte weh getan hatten. Sie waren nun erst eine so kurze Zeit zusammen, und er bedeutete ihr so viel; doch für ihn war sie weniger als nichts.
    Sie schwor sich, ihn nie merken zu lassen, wie sehr er ihr weh getan hatte — daß sie den Schmerz für sich behalten wollte. Sie glaubte ein ausdrucksloses

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