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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Herzen. Er fasste an Benders Ellenbogen und drückte seine Arme hinunter. »Schon in Ordnung, Robert. Steck die Waffe wieder weg.«
    Genz nahm einen großen Schluck Schnaps.
    »Ich glaube, du solltest das lassen«, sagte Morell. »Stell die Flasche weg und rede mit mir!«
    »Worüber denn? Du hast dir deine Meinung ja schon gebildet. Für dich steht der Täter doch bereits fest.«
    »Komm schon, Sascha. Du solltest mich eigentlich besser kennen. Ich werde dich unterstützen, wo ich nur kann, und wenn du unschuldig bist, dann werde ich dir helfen, das zu beweisen. Zieh dir bitte was Warmes an und komm mit uns aufs Revier.«
    Genz zeigte keine Reaktion. Geistesabwesend starrte er aus dem dreckigen Fenster.
    »Sascha?«
    »Ich werde nicht mitkommen!«
    »Bitte, Sascha. Sei doch vernünftig.«
    »Nein!«, schrie Genz und griff sich ein großes Küchenmesser. Bender hob die Waffe wieder und zielte auf ihn. Dabei zitterten seine Hände so stark, dass Morell bezweifelte, dass er Genz auch nur streifen würde, obwohl der weniger als drei Meter von ihnen entfernt stand.
    »Leg das Messer weg!«, rief Morell. Panik schwang in seiner
Stimme. Die Situation eskalierte gerade, und er musste sich zusammenreißen, um nicht die Nerven zu verlieren. »Bitte, Sascha«, versuchte er es mit einem etwas ruhigeren Tonfall, »tu mir das nicht an.«
    »Ich habe es den anderen auch angetan, warum soll ich dich verschonen?«
    »Du bist nicht bei Sinnen, du bist betrunken und weißt nicht, was du da sagst und tust.«
    »Oh doch, ich weiß ganz genau, was ich tue. Das ist meine erste vernünftige Handlung seit Monaten.«
    »Dann sag mir, warum! Warum diese Brutalität? Und was war mit Linda Frank, Thomas Liebenknecht und Susanne Simonis? Was hatten sie mit der ganzen Sache zu tun?«
    Genz zögerte. »Sie haben zu viel gewusst«, sagte er dann und hob das Messer.
    »Und warum die Briefe? Und warum ausgerechnet an Leander Lorentz?«, fragte Morell weiter. Er musste Zeit gewinnen, bis ihm ein Weg einfiel, wie er alle Beteiligten unbeschadet aus dieser Situation lotsen konnte.
    »Das ist doch scheißegal«, schrie Genz. »Die haben alle den Tod verdient, und es war mir eine große Freude, sie in die Hölle zu schaffen!«
    Dann ging alles ganz schnell. Genz machte einen Satz auf Morell zu, der wie gelähmt dastand und immer noch nicht fassen konnte, dass sein Freund der Mörder sein sollte. Sogar als er die Klinge des Messers vor sich aufblitzen sah, wollte er nicht glauben, was gerade passierte. Dann fühlte er einen dumpfen Stoß von rechts. Bender hatte ihn weggeschubst. Morell taumelte, verlor das Gleichgewicht, stürzte, stieß mit dem Kopf an eine Stuhlkante und landete unsanft auf dem Boden. Dann hörte er Bender aufschreien und in derselben Sekunde einen Schuss fallen. Dann war alles still.
    Morell griff sich an den Kopf und betrachtete dann seine Hand. Sie war voller Blut. Als er mit dem Stuhl kollidiert war, musste er sich eine Platzwunde zugezogen haben. Er fühlte keinen Schmerz und war sich nicht ganz sicher, ob er diese Tatsache dem Schock oder den Unmengen an Adrenalin, die gerade durch seinen Körper gepumpt wurden, zu verdanken hatte.
    »Robert«, ächzte er, »bist du in Ordnung?«
    »Nein.« Benders Stimme hatte sich in ein Stimmchen verwandelt.
    Trotz des Schwindels, den er spürte, versuchte sich Morell aufzurichten. Bender saß auf dem Boden und hatte sich gegen die Wand gelehnt. Aus seinem Gesicht war alle Farbe gewichen, und aus seiner rechten Schulter ragte der Griff des Messers. Mit dem linken Arm zielte er immer noch auf Sascha Genz, der vor ihm auf dem Boden lag.
    »Verdammt«, murmelte Morell. »Das sieht schmerzhaft aus, aber es wird dich nicht umbringen.« Er taumelte zu Bender, kniete sich neben ihn und tätschelte seine Wange. »Gut gemacht, Robert. Ich glaube, du hast mir gerade das Leben gerettet.« Dann beugte er sich über Genz. Dessen Augen waren geschlossen, und neben seiner Hüfte breitete sich eine Blutlache aus. Bender hatte ihn anscheinend irgendwo in der Bauchgegend getroffen.
    »Habe ich ihn umgebracht?«, piepste Benders Stimmchen leise.
    Morell legte zwei Finger auf Genz’ Halsschlagader. Er konnte einen Puls spüren. »Nein, er lebt noch, aber wenn nicht gleich Hilfe kommt, sehe ich schwarz für ihn.«
    Er griff in seine Tasche, zog sein Handy heraus und wählte den Notruf.

»Zwölf Winter sind wir traurig gewesen.
Zwölf Winter ist kein Tropfen Met getrunken worden,
in der Hirschhalle.«
    Hans

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